Es gibt Soziopathen und Psychopathen in der Gesellschaft, Leute die keinerlei Empathie empfinden und ohne schlechtes Gewissen betrügen, lügen, stehlen und sogar morden, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Rund ein bis vier Prozent der Bevölkerung sollen gemäss Studien so gestrickt sein. Erzähltechnisch sind solche Figuren aber meist langweilig – ausser in den Händen wirklich grosser Autoren, wie etwa Patricia Highsmith (†1995), die genau so eine Figur mit ihrem «talentierten Mr. Ripley» überaus faszinierend gestalten konnte. Aktuell wurde der Stoff neu für Netflix mit dem brillanten Andrew Scott (47) in der Hauptrolle verfilmt und bekommt exzellente Kritiken.
Die Suche nach Anerkennung treibt seltsame Blüten
In den Händen weniger talentierter Autoren wirkt eine solche Figur oft ermattend: Sie ist halt böse, weil sie böse ist, Punkt. So geht es auch dem aktuellen «Polizeiruf 110»: «Unsterblich». Eine Influencerin (Hannah Gharib) fällt durch die Glasdecke eines Einkaufszentrums. Zuvor erlitt sie einen Shitstorm und verlor Follower, weil sie öffentlich gelogen hatte. War es Suizid? Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) hat ein anderes Bauchgefühl – was sich in der Gerichtsmedizin bestätigt: Die Tote hatte K.-o.-Tropfen im Blut. Schade, dass man ab Minute dreissig weiss, wer warum wen umgebracht hat, ohne dass es auch nur noch eine Wendung gibt. Da nützt auch der kurze philosophische Exkurs des Kriminalrats Uwe Lemp (Felix Vörtler) wenig, der darüber sinniert, was wohl bleibt, wenn wir gehen, und dass es doch allen nur darum geht, nicht vergessen zu werden. Dieser Folge wird das jedenfalls nicht gelingen.
Polizeiruf 100: «Unsterblich», Das Erste, 20.15 Uhr
Wertung: Zweieinhalb von fünf