Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber immer, wenn mir wieder von Neuem bewusst wird, dass es Menschen gibt, die zwar in derselben Stadt wohnen, aber ein komplett anderes Leben führen, an anderes glauben, andere Werte vertreten, dann drängt sich mir das Bild eines Blätterteigs auf, in dem wir alle leben. Tausende Schichten übereinander, die sich, so dicht gedrängt sie auch sind, dennoch kaum berühren.
So ging es mir auch beim Lesen von Nadine Mathesons neuem Krimi «Der tote Priester». Die Südlondoner Autorin, die ursprünglich Rechtsanwältin ist, stammt aus einem Gebiet, in dem ich auch einmal gelebt habe und es eigentlich kennen sollte wie meine Westentasche. Und doch hat die Welt ihrer Hauptfigur, der schwarzen Kommissarin Henley, gar nichts mit irgendetwas zu tun, was man hierzulande kennt. Oder waren Sie schon mal in einer «pentecostalischen» Kirche? So mit Gospelgesang und einem schier schon als göttliches Wesen verehrten Pastor?
Operation erfolgreich, Patient gestorben
Ich jedenfalls nicht, obwohl es das in der Schweiz übrigens auch gibt. Bloss hoffentlich nicht so extrem wie in Mathesons Krimi: Dort bekommt es Henley mit religiös verwirrten Psychopathen zu tun, die meinen, Menschen Gutes zu tun, indem sie ihre «Dämonen» exorzieren – wobei der von einem vermeintlichen Dämon in Besitz genommene Mensch, der aus allen Blätterteigschichten der Gesellschaft stammen kann, meistens stirbt.
Fazit: Brutal, blutrünstig, wahnsinnig spannend und erst noch mit recht lustigen Dialogen – Matheson ist eine Entdeckung für hartgesottene Krimi-Liebhaber.
Nadine Matheson, «Der tote Priester», Verlag Lübbe,
576 Seiten, ca. 20 Franken