Paukenschlag beim Schweizer Radio und Fernsehen: Erst in der vergangenen Woche gab die SRG bekannt, dass sie aufgrund von ausbleibenden Werbeeinnahmen wegen der Corona-Krise 250 Stellen streichen müsse. Nun erklärte gestern SRF-Direktorin Nathalie Wappler (52), wo sie den Rotstift ansetzen wird. Was in religiösen Kreisen besonders für rote Köpfe sorgt: Die SRF-Chefin kippt mit «Zwischenhalt» und «Blickpunkt Religion» gleich zwei beliebte Radiosendungen aus dem Programm, die sich mit Religion und Glaubensfragen auseinandersetzen.
«Frau Wappler spart mit diesem Entscheid ganz klar am falschen Ort», ärgert sich Simon Spengler (58), Leiter Kommunikation der katholischen Kirche im Kanton Zürich. «Ich habe zwar Verständnis dafür, dass das SRF sparen muss, finde das Absetzen der Religionssendungen aber dennoch falsch und sehr fragwürdig.» Dass der Sender Gottesdienste weiter übertragen wolle, sei zwar gut, erklärt der Theologe. «Dass aber Gefässe, in denen der Sender selbst journalistische Leistungen erbringen muss, in Zukunft gestrichen werden, halte ich für einen Fehlentscheid. Damit werden Stellen von Journalisten abgebaut, die wirklich eine Ahnung von Religion haben.»
«Ich bin sprachlos und finde es erschreckend»
Auch in der Politik sorgt das Absetzen der religiösen Formate für Aufruhr. «Ich bin sprachlos und finde es erschreckend, dass man den Bereich Religion im SRF auf diese Weise abschneidet und streicht», erklärt EVP-Nationalrätin und -Präsidentin Marianne Streiff-Feller (63). «Diese Themen betreffen einen Teil der Bevölkerung, der dort Halt findet. Ich finde es bedenklich, dass man genau diese Sendungen aus dem Programm kippt», so die Politikerin. Es sei «schlimm», was Frau Wappler da entschieden habe. «Ein staatliches Fernsehen muss doch die ganze Bandbreite eines Angebots abdecken. In diesen Sendungen wird ja nicht missioniert, sondern es wird die Auseinandersetzung mit Werten gefördert.»
Etwas mehr Verständnis zeigt Thomas Lamprecht (54), Vizepräsident der EDU Schweiz: «Es war zwar schön, solche Sendungen im Radioprogramm zu finden, aber da wir uns für eine Trennung von Staat und Religion in unserem Land einsetzen, muss Letztere nicht zwingend einen Platz im staatlichen Fernsehen finden», relativiert der Politiker. Doch auch er findet es schade, dass die «Glocken der Heimat», das Glockengeläut, das in der Sendung «Zwischenhalt» jeweils Samstag kurz vor 19 Uhr zu hören ist, nun für immer verstummt. Für viele gläubige Hörer waren diese Klänge ein unverzichtbarer Start in den Samstagabend.
Wappler relativiert
Auch Medienvertreter religiöser Schweizer Publikationen stiess der Entscheid der SRF-Chefetage sauer auf. Bei der Telefonkonferenz mit SRF-Direktorin Natalie Wappler löcherten die Journalisten sie immer wieder mit Fragen zum Warum. Wapplers Antwort fiel vergleichsweise nüchtern aus: «Wir haben uns dazu entschieden, weil wir nach wie vor ein vielfältiges Religionsangebot haben. Wir haben die grösste Fachredaktion für Religion», sagt die SRF-Direktorin.
Doch da widerspricht ihr Simon Spengler entschieden: «Mit dieser Sparmassnahme vernachlässigt das SRF den Service public erheblich. Denn Religion ist ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft.» Es sei deshalb ein wichtiger journalistischer Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Mediums, Fragen zu Glauben und Religion kompetent zu begleiten. Spengler: «Es braucht Journalisten, die diese Themen richtig einordnen können.» Doch genau denen kündige Wappler mit ihrem Sparentscheid nun den Job.
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