Liverpool ist ausser Rand und Band. Die Stadt, die sonst im Zeichen des Fussballvereins FC Liverpool und der Beatles steht, präsentiert sich diese Woche als Zentrum der europäischen Musikwelt. Traditionelle Pubs sind mit europäischen Flaggen und Glitzervorhängen dekoriert, sogar vor dem legendären Cavern Club, der Geburtsstätte der Beatles, sind Schilder des Eurovision Song Contests angebracht. Die Briten freuen sich, mit dem Event auch ein solidarisches Zeichen für den Vorjahressieger Ukraine zu setzen.
«Die Stimmung ist unglaublich», sagt ESC-Kommentator Sven Epiney (50). «Liverpool hat eine riesige Musikgeschichte, nicht zuletzt wegen der Beatles. Diese Begeisterung spürt man auch heute.»
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Solidarität mit der Ukraine
Dieses Jahr findet der Song Contest ohne Corona-Einschränkungen statt. Und noch wichtiger: Er setzt ein Zeichen für den Vorjahressieger Ukraine. «Das spürt man nicht nur in der Sendung, sondern auch hinter den Kulissen und in der ganzen Stadt. Überall sieht man blau-gelbe Dekorationen, an Schulen lernten sie ukrainische Lieder und in der Produktion sind Menschen aus der Ukraine involviert», sagt Epiney. 3000 Show-Tickets wurden zudem für ukrainische Flüchtlinge in Grossbritannien reserviert.
Der Geist des ESC ist ungebrochen. 1956 wurde der Musikwettbewerb, damals als «Grand Prix Eurovision de la Chanson Europeénne» erstmals in Lugano durchgeführt. Mit der Idee, das vom Zweiten Weltkrieg geteilte Europa mit Musik zu vereinen. Eine Botschaft, die heuer so aktuell ist wie damals.
«Man spürt die Liebe der Menschen»
Slogans wie «Celebrate Diversity» (deutsch: Feiert Diversität!), «Building Bridges» (Brücken bauen) und «Come Together» (Kommt zusammen) sind nicht nur leere Worthülsen, sondern das, was den Eurovision Song Contest ausmacht. «Der Anlass bietet eine Bühne für die verschiedensten Künstler, Musikgenres und jeder darf so sein, wie er ist», sagt Epiney. «Die Stimmung ist tolerant, offen, inspirierend und verbindend.»
Das sehen auch Remo Forrers Konkurrentinnen aus Österreich, Teya (23) und Salena (25) so. Zwischen ihnen und Forrer hat sich eine Freundschaft entwickelt, Rivalität ist zwischen den dreien überhaupt nicht zu spüren. «Wir sind so dankbar, Teil dieser Familie werden zu dürfen», sagt Salena. Teya: «Es ist wunderschön hier. Alle sind glücklich, man spürt die Liebe der Menschen. Jeder wird gefeiert.»
In einem Warenhaus im Stadtkern von Liverpool schenken Angestellte kostenlos Prosecco für die Kundinnen und Kunden aus, gleichzeitig kann man sich mit Glitzer schminken lassen. «Das, was hier abgeht, ist für mich grösser als die Krönung von King Charles III.», sagt eine Mitarbeiterin. «Dort wurde zu einem Menschen aufgeschaut. Hier feiern wir die Künstler mit Fokus auf die Unterschiede. Das ist wunderschön.»