Knapp 900'000 Menschen verfolgten am letzten Sonntag auf SRF zwei den Schlussgang beim Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest ESAF. Gespalten waren die Zuschauenden nicht nur wegen des knappen Ausgangs zwischen Joel Wicki (25) und Matthias Aeschbacher (30), sondern auch wegen der auffälligen Mundart-Kommentierung von Stefan Hofmänner (55). Während sich die einen fragten, weshalb Mundart nicht auch beim Fussball möglich ist, fühlten sich hochdeutsch sprechende Menschen vor den Kopf gestossen.
Tatsächlich herrscht bei SRF ein nicht nachvollziehbares Mischmasch: Als «Meteo» 2005 von Hochdeutsch auf Mundart umstellte, gab es einen Aufschrei. Der damalige SF-Chefredaktor Ueli Haldimann (69) befand, Hochdeutsch wirke zu «abgehoben» und «akademisch». Potz Donner! Auch heute gilt diese Begründung noch: Es werde Mundart verwendet, weil es für Regen, Wind und Schnee viele typische Mundartausdrücke gebe, erklärt ein SRF-Sprecher gegenüber Blick.
«Tagesschau» durchgängig auf Hochdeutsch, «Schweiz aktuell» auf Schweizerdeutsch
Das Sprachenwirrwarr ist tatsächlich gross: Durchgängig Hochdeutsch wird nur in der «Tagesschau» gesprochen. Die nationale Info-Sendung «Schweiz aktuell» läuft hingegen auf Schweizerdeutsch, was nicht ganz einleuchtet. Denn hochdeutsch sprechende Zuschauerinnen und Zuschauer können sich ja auch für lokale Ereignisse interessieren. Der Sender begründet das so: «Damit wollen wir die Vielfältigkeit der Regionen und ihrer Dialekte unterstreichen».
Die SRF-Mundart-Debatte
Studiogespräche mit SRF-Expertinnen und -Korrespondenten sowie Schaltungen sind bei «10vor10» grundsätzlich auf Hochdeutsch. «Statements in den Beiträgen sowie die Gespräche mit Akteuren im Studio sind auf Schweizerdeutsch. Der Grund: Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer fühlen sich oftmals in Mundart sicherer als auf Hochdeutsch», erklärt der SRF-Sprecher. Warum dies nur für «10vor10» gilt, aber nicht für die «Tagesschau», ist nicht klar.
«In der Sprache fühlt man die Seele des Volkes»
Sollte bei SRF konsequent Hochdeutsch gesprochen werden? Der deutsche Unternehmensberater Klaus J. Stöhlker (81), der seit 50 Jahren in der Schweiz lebt, sieht das Problem zweischneidig. «Die Schweiz kämpft in einer immer chaotischer werdenden Welt um ihr Selbstverständnis. Und da spielt das Schweizerdeutsch eine wichtige Rolle», meint er. «In der Sprache spürt man die Seele des Volkes. Es ist daher völlig richtig, wenn das ESAF beispielsweise in Mundart kommentiert wird.» Wenn die Schweiz sich als selbstständige Nation erhalten wolle, müsse das Schweizerdeutsch verteidigt werden. Bei Radio- und TV-Sendungen, die über nationale und internationale Ereignisse berichten, sehe er es aber anders. «Wenn man die in der Schweiz lebenden Deutschen integrieren will, muss in Sendungen wie ‹Schweiz aktuell› oder ‹10vor10› konsequent auf Hochdeutsch informiert werden. Viele Deutsche verstehen zum Beispiel auch SRF-‹Meteo› nicht.»
Klar ist: Das sprachliche «Gnusch» ist bei SRF gross: In den Magazinen ist die Regelung unterschiedlich. Bei «Puls», «Einstein» und «Kassensturz» sind die Moderation und die Studiogespräche in Mundart, Beitragstexte werden auf Hochdeutsch geführt. «Mit der schweizerdeutschen Moderation soll sich das Publikum direkt angesprochen und emotional zu Hause fühlen», lautet die Begründung. In der «Rundschau» sind die Moderation und Beitragstexte auf Hochdeutsch, Interviews hingegen wieder in Mundart. In «Gesichter und Geschichten» erfolgen Moderation und Interviews ini Mundart, die Beitragstexte auf Hochdeutsch. Die Debattensendungen «Club» und «Arena» sind in Mundart gehalten.
Die Lex Russi
Zum Sportbereich sagt der SRF-Sprecher: «Sportsendungen werden traditionell auf Schweizerdeutsch moderiert. Zum anderen legen die Kommentatorinnen und Kommentatoren den roten Faden, dem das Publikum während einer Liveübertragung folgen kann. Um diese Basisinformationen zum sportlichen Live-Geschehen möglichst vielen Zuschauerinnen und Zuschauern zugänglich zu machen, hat sich SRF Sport bewusst für Hochdeutsch als Standardsprache der Kommentatorinnen und Kommentatoren entschieden.» Aus dem gleichen Grund würden auch die Matchzusammenfassungen auf Hochdeutsch gesprochen. Bei den Skirennen sprechen die Experten wiederum Schweizerdeutsch. Auch das ist nicht immer klar nachvollziehbar. TV-Legende Beni Thurnheer (73) meinte gestern gegenüber Blick, dass die wenigsten Sportexperten Hochdeutsch sprechen können. «Es ist bei SRF eine Lex Russi. Bernhard Russi war der Präzedenzfall. Er sollte mit Karl Erb kommentieren und hat damals gesagt: ‹Mache ich gerne, einfach nicht auf Hochdeutsch.› So kam es zu dieser Extrawurst.»
Müsste in einer Schweiz mit einem immer grösseren Ausländeranteil und vielen Touristen bei SRF nicht konsequent hochdeutsch gesprochen werden? Die Antwort von SRF lautet: «In unserem gesamten Programm wollen wir dem Umstand Rechnung tragen, dass wir bei SRF ein Programm für das Deutschschweizer Publikum machen. Dieses Programm soll sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Sprache von einem deutschen TV-Sender unterscheiden.»