«Läck, ist das schön!» Trauffer (43) bestaunt seinen Kaffee mit Schaum obendrauf. «Sind die Kaffeemacher hier alle auch Kunstmaler?», fragt er die Bedienung scherzhaft. Der Alpentainer hat sein Heim in Hofstetten bei Brienz BE verlassen, um für sein am Freitag erscheinendes Album «Glöggelä» auf Promotour zu gehen. Blick trifft ihn um 8 Uhr morgens im Zürcher Seefeldquartier zum Interview.
Sie mögen frühe Termine. Als wir Sie diesen Sommer zum letzten Mal sahen, haben Sie um 8 Uhr morgens Ihr Hotel eröffnet. Sind Sie auch sonst ein Frühaufsteher?
Trauffer: Das hat sich etwas verschoben, seit wir das Hotel haben. Wir arbeiten jetzt oft abends noch in unserem Restaurant. Dafür bleiben wir am Morgen länger daheim. Früher war ich 20 Jahre lang immer um 6 Uhr im Büro meiner Holzspielwarenfirma.
Dann konnten Sie gar nie abstürzen, wie es sich für einen Rockmusiker gehört?
Doch, wenn ich es tue, dann richtig heftig. Aber das passiert nur noch höchst selten. Früher haute ich mir noch jede zweite Nacht um die Ohren.
Zuerst die Büetzer Buebe, dann das Hotel, dazu die Holzspielwaren, jetzt das neue Album. Haben Sie keine Angst, ins Hamsterrad zu geraten?
Ich hatte einen genialen Masterplan: 2020 die zwei Auftritte als Büetzer Buebe im Letzigrund, 2021 mit dieser Platte auf Tournee, dann die Musik zur Seite legen und Vollgas Hotel. Jetzt findet alles 2022 statt und diese Konzentration ist schon ein bisschen viel. Ich bin in diesem Jahr zwei, drei Mal wirklich ans Limit gekommen.
Wie äusserte sich das?
Die Zündschnur war kürzer, sagt mein Umfeld. Und manchmal hatte ich null Energie mehr. Gerade die Büetzer Buebe haben mich erschöpft. Früher spielte ich ein Moon-&-Stars-Konzert in Locarno, fuhr noch in derselben Nacht mit dem Auto nach Hause und stand am nächsten Morgen auf der Matte. Bei den Büetzer Buebe brauchte ich geraume Zeit, um aus diesem Film zu kommen.
Haben Sie keine körperlichen Symptome?
Nein, ich brauchte keine Kur und habe auch keine Depressionen. Ich bin fit, doch mir fehlt einfach die Kraft. Meine Frau Brigitte und ich haben in diesem Jahr erst vier Tage Ferien gemacht, das spüre ich. Und vielleicht ist es auch das Alter, ich bin nicht mehr 20.
Möchten Sie es denn gerne nochmals sein?
Nein, lieber nicht. Ich habe einen 20-jährigen Sohn. Wenn ich sehe, wie der durchs Leben geht, mit all diesen Fragen und Unsicherheiten in dieser komplizierten Welt. 20 zu sein, ist heute gar nicht mehr so lustig wie früher, denke ich. Wir haben damals in Thun noch einen Ghüderchorb angezündet und sind davongelaufen, ohne dass etwas passiert wäre. Heute kommst du dafür gleich in die Kiste.
Führen Sie heute das Leben, das Sie sich damals erträumt haben?
Ich kann sagen, dass ich zurzeit sehr nahe an mir selber und glücklich bin. Ich habe mir in den letzten Jahren etwas erarbeitet. Nur schon diese Abwechslung: Hotel, Erlebniswelt, Holzspielwaren, Musik. Ich kann immer dort sein, wo es spannend ist und wo es mich braucht. Und ich habe ein grosses und gutes Team, so dass ich auch Dinge delegieren kann.
Ihnen scheint alles zu gelingen.
Auch ich musste heftige Niederlagen einstecken auf meinem Weg in den letzten 20 Jahren. Gerade privat lief nicht alles rund. Meine Ehe mit zwei Kindern zerbrach. Ein geschiedener Vater zu sein, war nie mein Ziel. Es war ganz schlimm für mich, das meinen Kindern anzutun. Und ich setzte auch geschäftliche Dinge in den Sand. Aber gleichzeitig war ich immer wieder bereit, Risiken zu tragen. Ich habe gesagt, wir bauen dieses Hotel. Ich habe alles reingesteckt, was ich habe. Und wenn es nicht funktioniert, verliere ich alles. Doch das ist meine Art: ganz oder gar nicht.
Sie hatten Mühe, fürs Hotel Personal zu finden, vor allem Köche. Wie ist die Situation jetzt?
Im Moment geht es. Bis in den Herbst hinein haben wir aber gelitten. Wir selber und das ganze Team mussten viel zu viel arbeiten. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass sich ein starker Teamgeist entwickelte. Aber es ist fürchterlich, dass man keine Kochlehrlinge ausbildet und dass niemand mehr Koch lernen will.
Haben die jungen Leute heute weniger Biss?
In meiner Wahrnehmung sind es nicht die Jungen, die früher aufgeben. Es ist unsere Gesellschaft, die ihnen die Rahmenbedingungen dafür gibt. Wenn du heute eine Lehre abbrichst, passiert gar nichts. Früher war der Teufel los. Es ist unfair, immer alles nur den Jungen in die Schuhe zu schieben. Es ist nicht so, dass sie nicht beissen könnten und früher aufgeben wollen, sondern wir geben ihnen die Möglichkeit, es zu tun.
Sie gelten als Frohnatur. Wann waren Sie zum letzten Mal so richtig wütend?
(Denkt nach) So wütend, dass ich etwas kurz und klein schlagen könnte, diese Zeiten habe ich hinter mir, daraus bin ich zum Glück herausgewachsen (lacht). Aber wenn mir jemand Dinge verspricht und sie nicht hält, dann werde ich hässig. Falsche Leute machen mich wütend.
Und wann waren Sie letztmals so traurig, dass Sie hätten weinen können?
Wenn ich an meine Kinder und Jugendliche im Allgemeinen denke, wie sie an der Schwelle zum Leben stehen und vor lauter Optionen den Fokus verlieren. Sie haben mehr Möglichkeiten, als wir sie hatten, aber sie sehen sie nicht. Das ist hart, das macht mich für sie traurig.
Sie machen fröhliche Musik, die die Menschen zum Tanzen und Mitsingen bringt. Ist das in diesen schwierigen Zeiten angebracht?
Ich finde, es ist dringend nötig, Partymusik zu machen. Ich gebe den Leuten eine Pause in ihrem Leben. Einfach mal wieder feiern tut gut. Das Leben ist nicht nur lustig und Lollypop, wir haben viele Krisen in dieser Welt. Aber wir dürfen uns nicht nur darin verlieren und nicht immer nur negativ sein. Ich bin der mit den Ballonen, ich bin Nena (lacht schallend). Auch wenn man alles ernst nehmen muss, darf man ab und zu lachen. Dafür bin ich zuständig.
Sie arbeiten mit Ihrer Frau zusammen im Hotel und sind viel unterwegs. Haben Sie überhaupt Zeit für sich und Ihre Ehe?
Das ist eine ganz neue Situation für uns. Wir stiessen das Hotelprojekt an und kamen gleichzeitig in die Pandemie rein. Wir hatten schlaflose Nächte en masse. Dann wurde das Hotel eröffnet und jetzt ist der Druck da, es am Laufen zu halten. Brigitte ist die Chefin und arbeitet täglich. Wir haben momentan tatsächlich zu wenig Zeit für uns. Aber wir haben beide gesagt, dass dieses Jahr schwierig wird. Und wir ziehen es zusammen durch.
Nun erscheint Ihr neues Album. Man hört aber immer, Musiker würden an Tonträgern gar nichts mehr verdienen. Macht die Veröffentlichung also überhaupt noch Sinn?
Wir schreiben nicht mehr 1999, das wissen wir alle. Aber in meinem Fall kommt tatsächlich noch einiges an Einnahmen zusammen. Dieses Mal konnte ich aber meine CD zu Hause selber auch nicht mehr hören, weil wir keinen Player mehr haben, im Auto ebenfalls nicht. Insofern ist ein Album ein Stück Nostalgie. Aber die Songs funktionieren schon jetzt relativ gut und lösen ein Echo aus. Musik wird mehr denn je verbreitet. Und dann diese tollen Bilder im Booklet ...
Ist das auf dem Cover ein Esel oder ein Maultier?
Ein Esel, Brownie, er ist auf dem Bild fünf Wochen alt und lebt in einer Auffangstation in Sarnen. Das ist mein Alter Ego. Und es gab auch schon Leute, die sagten, da seien zwei Esel drauf. Das finde ich okay, ich kann damit leben. Gibt es ein herzigeres Tier als einen jungen Esel? Ich nehme nicht alles todernst. Wenn du dich selber zu ernst nimmst, hast du eh verloren.
Aber Sie sind sicher auch eitel, wie alle Menschen. Wo zeigt sich das bei Ihnen?
Ich bin schon froh, nicht mehr so schwer zu sein. Ich habe 14 Kilo abgenommen, seit Ende April bis heute. Das ist automatisch passiert, seit wir am Abend nicht mehr im Restaurant essen und trinken, sondern nur noch dort arbeiten. Und es ist praktischer, weil ich nicht mehr von morgens bis abends den Ranzen einziehen muss.
Und Gölä haben Sie seit dem Letzigrund noch gesehen?
Er kam gerade letzte Woche bei mir vorbei und holte eine Kiste Live-DVDs ab. Ich gab ihm eine CD mit und er rief mich gestern an und klagte: «Meine Goofen wollen jetzt nur noch Trauffer hören» (lacht).
Trauffer
Den Durchbruch schaffte der Brienzer Marc A. Trauffer (43) um die Jahrtausendwende mit seiner Band Airbäg, mit dem Album «Alpentainer» von 2014 positionierte er sich als Schweizer Antwort auf Andreas Gabalier (37). 2009 übernahm er zudem die Spielwarenfabrik seiner Eltern und eröffnete 2022 mit Ehefrau Brigitte (43) ein Hotel samt Erlebniswelt. Im selben Jahr traten er und Gölä (54) als Büetzer Buebe zweimal im Zürcher Letzigrund auf.
Den Durchbruch schaffte der Brienzer Marc A. Trauffer (43) um die Jahrtausendwende mit seiner Band Airbäg, mit dem Album «Alpentainer» von 2014 positionierte er sich als Schweizer Antwort auf Andreas Gabalier (37). 2009 übernahm er zudem die Spielwarenfabrik seiner Eltern und eröffnete 2022 mit Ehefrau Brigitte (43) ein Hotel samt Erlebniswelt. Im selben Jahr traten er und Gölä (54) als Büetzer Buebe zweimal im Zürcher Letzigrund auf.