Isaraeli Yan Balistoy darf nicht mit Libanesin spielen
Setzt das Theater Neumarkt ein Hisbollah-Gesetz durch?

Die Vorwürfe gegen eines der renommiertesten Theater der Schweiz wiegen schwer: Der schweizerisch-israelische Doppelbürger Yan Balistoy (29), der seit 2021 Teil des Ensembles ist, behauptet, wegen seiner Herkunft nicht eingesetzt zu werden. Was ist an der Kritik dran?
Publiziert: 12.12.2023 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2023 um 13:39 Uhr
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Schwere Vorwürfe gegen das Theater Neumarkt in Zürich.
Foto: Keystone

Das Theater Neumarkt steht im Rampenlicht – dieses Mal allerdings nicht wegen ausschweifender Kritiken zu einem Stück, sondern wegen Ensemble-Schauspieler Yan Balistoy (29). Der Israeli, der auch einen Schweizer Pass besitzt, macht seinem Mutterhaus in einem offenen Brief schwere Vorwürfe: Er werde seit August 2021 «nur in der Hälfte aller Stücke besetzt. Weil ich Israeli bin.» Der Grund seien Sicherheitsbedenken einer libanesischen Ensemble-Kollegin. Sie fürchte sich, «sollte eine Zusammenarbeit mit einem Israeli öffentlich sein.» Die Leitung des Hauses habe entschieden, «den anti-israelischen Boykott der Hisbollah in die Arbeitsstruktur einzubauen.» Das Ergebnis: Balistoy und seine Kollegin würden konsequent getrennt voneinander eingesetzt, «klärende Gespräche hätten nicht stattgefunden.» Gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung» bestreitet das Theater die Vorwürfe: «Die vom Schauspieler erhobenen Vorwürfe sind uns bekannt, und wir bestreiten sie mit Nachdruck.» Ausserdem sei man ein Haus der «Vielheit und Offenheit».

Dennoch lasse das Theater «die vom Schauspieler erhobenen Vorwürfe durch eine externe Stelle prüfen.» Das Haus und der Schauspieler stünden derzeit in einer rechtlichen Auseinandersetzung. Tatsächlich hat Balistoy, so schreibt er in seinem offenen Brief weiter, mit seinem Anwalt Schritte gegen das Theater eingeleitet. Seit dem Ausbruch des Nahost-Konflikts sei «diese Diskriminierung für mich unaushaltbar.» Ein Grossteil der Mitarbeiterinnen und Freunde hätten sich zum Vorfall bisher nicht geäussert. «Nie hätte ich gedacht, dass bei einer so offensichtlichen Ungerechtigkeit die Stimme der Masse verstummt», so Balistoy weiter.

Stadtpräsidentin Mauch nimmt Vorwürfe ernst

Der Fall ist mittlerweile nicht nur bei den Zürcher jüdischen Gemeinden gelandet – auch Corinne Mauch (63), hat Kenntnis vom Sachverhalt. Gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung» lässt ihr Mediensprecher Lukas Wigger ausrichten: «Die Schilderung und die erhobenen Vorwürfe beunruhigten die Stadtpräsidentin, sie nahm und nimmt sie sehr ernst. Das hat sie auch Herrn Balistoy versichert.» Das ist vor allem deshalb nicht ganz unerheblich, weil die Stadt das Theater Neumarkt subventioniert – und in dessen Verwaltungsrat sitzt. Mauch begrüsse den Schritt der Theaterleitung, den Fall zu von externer Stelle untersuchen zu lassen.

Neumarkt-Dramaturg Eneas Nikolai Prawdzic (34), wie Balistoy jüdischer Herkunft, nimmt seinen Arbeitgeber in Schutz. In einer auf Facebook veröffentlichten «Antwort eines jüdischen Mitarbeiters» erklärt er seine Bestürzung über die Vorwürfe des Schauspielers. Es sei nie zur Debatte gestanden, Kulturschaffende «aufgrund einer religiösen oder nationalen Herkunft nicht in unser Programm aufzunehmen.» Es gebe im Libanon zwar ein Gesetz, dass es verbiete, mit israelischen Staatsangehörigen zusammenzuarbeiten, aber: «Die Leitung war bemüht, einen Weg zu finden, es israelischen und libanesischen Kunstschaffenden zu ermöglichen, in diesem Haus zu arbeiten.» Man habe nach Absprache mit allen Beteiligten einen Weg gefunden.

Giesst heutige Veranstaltung weiteres Öl ins Feuer?

Balistoys Ensemble-Kollegin hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäussert – spätestens heute Abend dürfte der Fall aber noch einmal Fahrt aufnehmen. Dann findet am Neumarkt eine musikalische Lesung zum Thema «Israel/Palästina» statt – Balistoy wird «aufgrund der Belastung nicht anwesend sein.» In seinem Brief bittet er alle Empfänger, daran teilzunehmen und «offen kritische Fragen zum Fall zu stellen.» Es sei wichtig, beide Seiten zu hören. Und: «Ausserdem wäre ich dankbar, wenn ihr symbolisch mit einem Stift auf den Flyer oder sonstiges Papier schreibt ‹Wo ist Yan?› und diese Botschaft im Saal lasst. (las)


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