«Die einen gönnen sich einen Porsche, andere eine Audemars Piguet. Ich leiste mir ein Buch über mich.» Mit diesem Schickimicki-Satz, bei dem sich Kritiker die Hände reiben werden, beginnt die Biografie «Der Beizer ohne Geschmack» von Michel Péclard (55), die am 28. Mai in den Handel kommt.
Klar, der erfolgreiche Gastro-König vom Zürichsee, der 18 Betriebe mit 500 Angestellten führt, polarisiert. Sei es, dass darüber gelästert wird, dass es rund um den Zürichsee nach Fischknusperli und Pommes mit Trüffelöl riecht, oder sei es, dass er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Umsatz beteiligt.
In seiner Biografie, geschrieben vom Journalisten Christian Gerig (71), kommen auch seine Kritiker zu Wort: «Wo Péclard draufsteht, ist Scheisse drin.» Aber auch seine Mutter Franziska, die ihn als «Monstrum und Charmeur» bezeichnet. Und langjährige Wegbegleiter, die ihm dankbar sind und ihn lieben.
Blick: Ihre Biografie liest sich wie eine Mischung aus Abrechnung und Liebeserklärung. Was ist es für Sie?
Michel Péclard: Für mich ist es in erster Linie ein Mutbuch für Junge. Diese Eigenschaft fehlt mir bei vielen. Ich habe 15 Jahre an der Hotelfachschule Luzern unterrichtet. Das hat extrem Spass gemacht, doch ich fand immer, die Jungen hätten keinen Mut. Sie kommen aus der Schule und sind auf Zahlen fixiert. Dann bringen sie mir Konzepte, die ich grossartig finde. Doch sie wagen es nicht, Neues auszuprobieren und Risiken einzugehen. Ich bin dreimal so richtig auf die Schnurre gefallen. Mit der Schönau in Erlenbach, dem Schober im Zürcher Niederdorf und dem NZZ Bistro am Bellevue. Das hat mich innerhalb von 15 Jahren mehr als sechs Millionen Franken gekostet.
Woran sind Sie gescheitert?
Weil es nicht ich war. Der Fisch stinkt immer am Kopf. Ich bin extrem begeisterungsfähig, habe eine Idee, für die ich alles gebe. Doch wenn ich sie nicht lebe, ist das Scheitern vorprogrammiert. Aber wissen Sie was, ich würde es jederzeit wieder so machen. Sich begeistern, etwas wagen, scheitern, einen Schlussstrich ziehen und weitergehen.
Sind Sie ein Beizer ohne Geschmack?
Ganz und gar nicht. Ausser, was manchmal meinen Kleidungsstil betrifft, ich bin farbenblind. Es war ein Kommentar eines Kritikers, der aber im Buch nicht mehr drin ist, es hat genug andere.
Ihre Ex-Frau Mandana Péclard beschreibt Sie als «nicht gierig, aber süchtig nach Ruhm und Herausforderung».
Vor allem nach Herausforderung. Die meisten, die mich kritisieren und von Einheitsbrei reden, waren noch nie in einem meiner Betriebe. Tatsache ist, dass es jeden, den ich übernommen habe, bereits gab, doch keiner ging hin. An der Pumpstation, bei der meine Erfolgsgeschichte mit meiner geliebten Cousine Janka und den Grillspiessen begann, war die Drogenszene. Der Campingplatz Fischer's Fritz war von Stacheldraht umzingelt, um sieben war Nachtruhe. Heute kommt man bei uns rein und findet eine Oase vor, die einmalig ist. Wenn mir im Coco gestresste Banker, die nicht wissen, ob sie morgen noch einen Job haben, sagen, es sei für sie wie eine Stunde Ferien, weiss ich, ich habe es richtig gemacht.
Nun übernehmen Sie mit der Opernhaus-Gastronomie auch das Belcanto, bekannt als «Fleischkäse». Wieder Fischknusperli-Alarm?
Im Gegenteil. Da geht es um die Frage, wie kann ich eine Pausengastronomie einfach und richtig cool machen? Ich habe mich in Nizza inspirieren lassen vom «Petite Maison», meinem Lieblingslokal. Mit der Besitzerin versuche ich einen Deal auszuhandeln. Mein Plan: Ich gebe ihr 50'000 Franken für die Idee, sie schickt mir zwei ihrer Köche, die unseren Leuten zeigen, wie gesunde, französische Küche geht. Ich schicke zwei dorthin, die Köche entlöhne ich separat. Das Belcanto hat die schönste Terrasse von Zürich, doch keiner geht hin. Ich kenne auf jeden Fall niemanden. Das zu brechen, fasziniert mich.
Und was ist jetzt mit den Fischknusperli?
Nein, die wird es da nicht geben, wir setzen auf französische Küche. Punkto Fischknusperli: Wir haben sie einst im Mönchhof nur noch als Kindermenü angeboten. Dann haben Erwachsene zwei Portionen bestellt. Ich gebe den Leuten, was sie wollen. Seit 2000 wird bei uns ein Drittel weniger Bratwürste bestellt, dafür umso mehr Salat. 30 Prozent der Frauen essen heute vegetarisch oder vegan. Sie entscheiden, wo gegessen wird. Also machen wir das. Der Wurm muss nicht dem Angler schmecken, das ist mein Credo.
Viele leiden unter Personalmangel und Restaurant-Schliessungen. Sie setzen auf Umsatzbeteiligung. Ein Serviceangestellter kassierte letztes Jahr 16'500 Franken im Monat und machte damit Schlagzeilen. Ist dies Ihr Erfolgsgarant?
Sicher auch. Aber wissen Sie was, seit der Geschichte spricht kein Gastronom mehr mit mir oder meinem geschätzten Geschäftspartner Florian Weber. Wir dachten, das macht Schule, mitnichten. Dabei ist die Rechnung einfach. Der besagte Angestellte hatte einen Monatsumsatz von 200'000 Franken. Seit wir das machen, sind alle motivierter, kommen weder verkatert zur Arbeit, noch sind sie krank. Die meisten Beizer geben ihren Angestellten einen Fixlohn von 4000 Franken. Hey, davon kann in Zürich doch kein Mensch leben. Auch wenn durchschnittlich 1300 Franken Trinkgeld dazukommen. Die «Give and Take»-Rechnung geht total auf.
Woran machen Sie das fest?
Sind deine Angestellten glücklich und verdienen gut, bleiben sie bei dir. Mir wird täglich ein Restaurant angeboten, weil sich die meisten auf ihr veraltetes Denken fixieren, sich nicht weiterentwickeln und ihren Laden nicht halten können. Wir gehen nun einen Schritt weiter und beteiligen unsere Mitarbeiter an neuen Betrieben. Zudem bilden wir unser Personal weiter. Es will ja heute keiner mehr Koch lernen, also bringen wir es ihnen bei.
Ihre Biografie gibt viel von Ihnen als Privatperson preis. Ihre Mutter nennt Sie Monstrum, wenn es Ihnen zu Hause zu viel wurde, und Charmeur nach aussen.
Das stimmt. Ich bin noch heute gern für mich allein, trotz ADHS. Bei uns zu Hause ging es oft ums Geld. Ich wollte Spass und keine Eltern, die nur sparen. Ich war vor allem bei unseren Nachbarn, da erlebte ich Liebe und Leichtigkeit. Heute sehe ich vieles anders. Meine Mutter war im Waisenhaus und wollte mir und meinem Bruder etwas bieten. Auch wenn ich meine Eltern liebe, fühlte ich mich in unserer Familie nie richtig wohl. Es war mir zu streng, dagegen habe ich rebelliert.
Sie sind Single.
Das werde ich wohl auch bleiben. Meine Ex-Frau und ich haben zwei grossartige, mittlerweile erwachsene Söhne. Ich geniesse Affären, habe aber durch das Verlassenwerden durch Mandana einen Panzer um mich gebaut. Ich schütze mich vor Verletzungen und geniesse Abenteuer, die nicht wehtun. Ausser beruflich, da dürfen sie auch mal schmerzhaft sein. So komme ich weiter.