Schock für die Westschweiz: Darius Rochebin (53), der bekannteste TV-Moderator der Romandie, soll Mitarbeitende während Jahren sexuell belästigt haben. Das enthüllte die Zeitung «Le Temps» am Samstag. Der Skandal zieht seither immer weitere Kreise: Nicht nur Rochebin, auch zwei Kader-Mitarbeiter sollen sich ungebührlich verhalten haben – sie wurden gestern Dienstag vom Sender RTS freigestellt.
Rund 700 von 1800 Mitarbeitenden haben in den letzten Tagen eine Petition zuhanden der RTS-Führung unterschrieben und vor dem Fernsehgebäude demonstriert. Sie fordern, dass die Affäre umfassend aufgeklärt wird. Den vielen Übergriffen sei nie oder nur ungenügend nachgegangen worden, kritisieren ehemalige und aktuelle Mitarbeiter. Rochebin sei von einer «Kultur des Schweigens» geschützt worden, als er junge Männer und Frauen belästigte und nötigte. Und die Frage stellt sich auch, inwieweit der heutige SRG-Generaldirektor Gilles Marchand (58), der zwischen 2010 und 2017 RTS leitete, in die Affäre involviert ist.
Via Social Media suchte er Kontakt zu Männern
Rochebin moderierte ab 1998 bis in diesen Sommer das «Téléjournal», das Westschweizer Pendant zur «Tagesschau». Über 4000-mal präsentierte er die Nachrichtensendung. Hinter den Kulissen soll er seine Bekanntheit und berufliche Stellung perfide ausgenutzt haben. Dabei ging er immer nach dem gleichen Muster vor: Via Social Media suchte er Kontakt zu jungen Männern, die im Journalismus Fuss fassen wollten. Dafür legte er sich Fake-Profile an, auf denen er sich als Frau ausgab, und fragte sie über ihr Sexualleben aus. Gleichzeitig ging er sie als Darius Rochebin an, versprach, ihnen den Einstieg in die Medienwelt zu erleichtern, lud sie ein. Dann offenbarte er seine wahren Absichten und belästigte die jungen Männer.
Zu sexuellen Handlungen überreden
Ein Student erinnert sich, wie Rochebin ihn zum Abendessen einlud und eine grosse Karriere in Aussicht stellte. Bei der Rückfahrt im Auto sei der Moderator übergriffig geworden und wollte ihn zu sexuellen Handlungen überreden. Ähnliches berichtet auch eine langjährige RTS-Journalistin. Bei einer Neujahrsfeier auf der Redaktion habe Rochebin ihre Hand genommen und sie auf seinen Penis gelegt. Jahre später, im Zuge der ≠MeToo-Bewegung, meldete sie den Vorfall ihren Vorgesetzten – ohne Konsequenzen!
Von sexuellen Übergriffen habe er nichts gewusst, sagt Gilles Marchand zu BLICK. Aber: «Ich wurde im Herbst 2017 von der Direktion RTS darüber informiert, dass Darius Rochebin Facebook-Profile unter einem anderen Namen verwendet. In der Folge wurde der Mitarbeitende dazu angehört und aufgrund der damals verfügbaren Informationen abgemahnt.» Doch diese Mahnung blieb ohne Folgen. Und der Moderator, der heute beim französischen Sender LCI in Paris arbeitet, konnte sein übles Spiel munter weitertreiben.
Comedian Thomas Wiesel meldete Rochebin
Auch Comedian Thomas Wiesel (31) wurde von Rochebin im Jahr 2015 belästigt. «Er machte Bemerkungen über mein Aussehen, schlug vor, uns für eine Sendung zu treffen oder etwas trinken zu gehen.» Wiesel wurde misstrauisch und deckte schliesslich Rochebins Masche mit den gefälschten Facebook-Konten auf. 2017 informierte er Pascal Crittin (51), der Marchand inzwischen als RTS-Direktor abgelöst hat. Dieser versprach ihm, die Sache «vollständig aufzuklären». Doch da niemand eine Strafklage einreichte, habe man bei RTS nicht weiter tätig werden können, betont Crittin heute.
«Die SRG strebt zusammen mit RTS eine lückenlose Aufklärung der Fälle an», verspricht Gilles Marchand heute. «Es werden externe Untersuchungen in die Wege geleitet und die Rolle aller Beteiligten überprüft.» Er sei ob der geschilderten Vorfälle schockiert, betont der SRG-Generaldirektor. «Es tut mir überaus leid für die Betroffenen, und dass solche Fälle möglich waren, zeigt offensichtlich, dass etwas im heutigen Meldesystem nicht stimmt. Ich werde mich deshalb auch persönlich für die Aufklärung der Fälle einsetzen.»
Darius Rochebin selbst bestreitet sämtliche Vorwürfe, er habe sich nie widerrechtlich verhalten. Über seinen Anwalt kündigt er an, sich juristisch zur Wehr zu setzen.