Max Hubacher (27) spielt in «Monte Verità» den Psychoanalytiker und Freud-Schüler Otto Gross (1877–1920), der in der legendären Künstlerkolonie bei Ascona TI von seiner Kokain- und Morphiumsucht loskommen wollte. Die deutsch-schweizerische Grossproduktion mit Julia Jentsch (43), Joel Basman (31) und Hannah Herzsprung (39) läuft heute am Donnerstag, 26. August, in den Kinos an.
Blick: Herr Hubacher, ist es nicht ungemein schwierig, jemanden darzustellen, bei dem sich das meiste im Kopf abspielt?
Max Hubacher: Ich hatte sehr viele Freiheiten, weil Gross so unorthodox war. Ich entschied, mich von sämtlichen Vorstellungen, die von diesem Berufsfeld existieren, zu verabschieden, und versuchte, frei und spontan zu spielen, so wie er therapiert hatte. Ich hatte zu diesem Thema kaum Erfahrung, höchstens vom Militärdienst. Damals dachte ich: Wenn ich mal zu einem Psychiater ginge, einfach nie zu so einem.
Gross ist eine kontroverse Figur. Er bricht den Eid des Hippokrates, indem er sexuelle Beziehungen mit Patientinnen hat. Er ist Anarchist und Sterbehelfer. Funktioniert er dennoch als Sympathieträger?
Ich kann das nicht entscheiden, das muss das Publikum. Gerade der Serienhype hat uns gelehrt, über längere Spannungsbögen hinweg mehr Facetten einer Figur wahrzunehmen und auch nur Teilaspekte von ihr zu mögen. Gross passt sicher nicht in eine Schwarz-Weiss-Skala.
Er polarisiert heftig.
Dass man Verständnis für jemanden empfindet, kann bei den schlimmsten Figuren passieren. Wichtig ist, den Menschen zu zeigen und nicht einen Abklatsch davon. Wenn man die Beweggründe versteht, wächst die Empathie. Das heisst aber nie, üble Taten zu legitimieren. Begreiflich zu machen, warum Menschen schlimme Dinge tun, ist einer der vielen Gründe, warum ich meinen Beruf so gerne mag.
Gross flüchtet auf den Monte Verità, wo er mit anders gelagerten Rauschzuständen in Berührung kommt. War die Kolonie eine neue Sucht?
Ich interpretierte sein Sinnsuchen dort in erster Linie als eine Flucht vor dem Vater. Aber es war eine glückliche Flucht. Ich erlebte das bei den Dreharbeiten im letzten Sommer. Ich mietete für zwei Monate einen Roller, meine Freiheit und Unabhängigkeit. Wenn ich keine Einsätze hatte, suchte ich im Maggiatal nach schönen Badestellen. Und am Morgen fuhr ich jeweils an den Lago Maggiore. Nach dem Lockdown in Berlin lernte ich die Nähe zur Natur ganz neu kennen und lieben.
Könnten Sie sich vorstellen, heute in einer ähnlichen Gemeinschaft zu leben?
Ganz Berlin ist eine einzige Künstlerkolonie (lacht). Und es gibt viele Kunstschaffende, die sich Ateliers teilen. Ich selber könnte das nicht. Ich beschäftige mich fast rund um die Uhr mit Kunst. In meinem Privatleben sollen andere Dinge eine zentrale Rolle spielen, Familie und Freunde. Das ist für mich eminent wichtig, um wieder Kraft zu schöpfen. Wenn ich ständig in einer solchen Kreativ-Bubble leben müsste, würde mich das fertigmachen.
Vor rund zehn Jahren hatten Sie Ihre allererste Filmrolle in «Stationspiraten». Nun mimen Sie mit Otto Gross zum ersten Mal jemanden, der älter ist als Sie.
Gross wirkt auf Bildern älter als ich jetzt. Aber als er in Ascona war, war er beinahe gleich alt. Ich liess mir letzten Sommer einen Bart wachsen, aber das reichte noch nicht, und ich sass jeden Tag zusätzlich zwei Stunden in der Maske, um den Bart zu ergänzen. In «Monte Verità» verkörpere ich zum ersten Mal einen wirklich «Erwachsenen», insofern haben Sie recht.
Die Wahrnehmung von Otto Gross ist getrübt. Würden Sie mitmachen, wenn ein Regisseur den Einsatz von Suchtmitteln vorschlagen würde?
Das hätte nichts mehr mit Schauspiel zu tun. Wenn du einen Serienmörder interpretierst, gehst du auch nicht im Vorfeld Leute angreifen, damit du die Rolle spielen kannst. Das Spannende an meinem Beruf ist, sich in solche Dinge einzufühlen, ohne sie auszuführen. Wenn jemand auf Method-Acting-Basis an solche Grenzen gehen will, soll er das tun. Mich interessiert das nicht. Ich möchte nach einem Take immer selber wieder entscheiden, wer ich bin, und nie in einer Ekstase sein, aus der ich nicht mehr herausfinde. Oftmals leidet bei solchen Experimenten vor allem die Crew. Ich gebe alles, um einen möglichst guten Film zu machen, unter Rücksichtnahme aller Beteiligten.
Der im Berner Breitenrain-Quartier aufgewachsene Max Hubacher (28) wurde schweizweit 2011 mit «Der Verdingbub» bekannt. Nach der Matur studierte er an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig Schauspiel. Seither pendelt er zwischen Berlin und Bern. International für Aufsehen sorgte Hubacher 2017 als Kriegsverbrecher Willi Herold (1925–1946) in «Der Hauptmann», der auch in den USA lief. Zu reden gaben ebenso seine Darstellungen eines schwulen Profi-Fussballers in «Mario» und des «Mitternachtsmörders» Mischa Ebner (1975–2002) in «Der Läufer» (beide 2018).
Der im Berner Breitenrain-Quartier aufgewachsene Max Hubacher (28) wurde schweizweit 2011 mit «Der Verdingbub» bekannt. Nach der Matur studierte er an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig Schauspiel. Seither pendelt er zwischen Berlin und Bern. International für Aufsehen sorgte Hubacher 2017 als Kriegsverbrecher Willi Herold (1925–1946) in «Der Hauptmann», der auch in den USA lief. Zu reden gaben ebenso seine Darstellungen eines schwulen Profi-Fussballers in «Mario» und des «Mitternachtsmörders» Mischa Ebner (1975–2002) in «Der Läufer» (beide 2018).
Sind solche «Experimente» in Ihrer Generation auch nicht mehr zeitgemäss?
Ich habe letzten Sonntag den Film «Der Rausch» gesehen. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass dem Werk ein Echt-Experiment zugrunde liegt. Doch Hauptdarsteller Mads Mikkelsen sagt, dass höchstens zu Studienzwecken Musteraufnahmen unter Alkoholeinfluss entstanden sind. Wenn jemand Alkohol oder einen anderen Stoff als Inspirationsquelle braucht und niemand darunter leidet, habe ich nichts dagegen. Aber ich könnte unter solchen Umständen niemals arbeiten. Ich hätte auch nicht das Gefühl, dass ich besser würde, sondern eher, dass ich limitiert wäre. Und das könnte ich mir nicht verzeihen. Seit ich in diesem Beruf bin, ist meine goldene Regel, niemals unter Einfluss bewusstseinsverändernder Substanzen zu arbeiten.
Haben Sie schon erste Stoff-Angebote für den ultimativen Corona-Film bekommen?
Ich hatte eine Anfrage für eine Online-Serie mit Dialogen über Zoom, immer dasselbe Büchergestell, dieselbe Pflanze. Wer will sich das ansehen, wenn er es den ganzen Tag über selber erlebt hat? Corona ist so omnipräsent, dass es mich als Stoff zurzeit nicht interessiert.
Sie pendeln seit längerem zwischen Deutschland und der Schweiz. Da war Corona aber sicher ein Thema, oder?
Reisen wurde natürlich schwieriger. Bei den Corona-Tests habe ich bei 200 mit Zählen aufgehört (lacht). Ich lebe in Bern und Berlin zu gleichen Teilen, wenn ich nicht gerade anderswo auf Dreh bin.
Und Sie können an beiden Orten ein Sozialleben pflegen oder gar eine Zweierbeziehung?
Film ist meine grösste Leidenschaft, und ich bin unendlich dankbar, dass ich sie ausleben darf und meinen Unterhalt damit verdiene. Doch an erster Stelle sind immer meine Nächsten und Liebsten, sie geben mir am meisten. Ich bin glücklich, so früh mit meinem Job angefangen zu haben, aber immer wieder auch nach Bern zurückgekommen zu sein. Das liess die Gefahr, irgendwie abzuheben, gar nie aufkommen. Die Menschen, die bereits früher um mich herum waren, fanden das jederzeit normal, was ich mache, weil es von Beginn weg zu mir gehört hat. Deshalb ist das Heimkommen auch immer zuoberst auf meiner Liste.
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