So hat man Max Hubacher (27) und Joel Basman (30), die beiden Schweizer Kino-Jungstars, noch nie gesehen: Hubacher mit Zauselbart und struppiger Mähne und Basman mit strenger Brille und barfuss, beide altertümlich gewandet, rauchen während einer Drehpause auf einer Wiese im Tessiner Valle Maggia. Seit letztem Wochenende entsteht eine halbe Autostunde von Locarno entfernt unter der Regie von Stefan Jäger (50) der im Jahr 1906 angesiedelte Spielfilm «Monte Verità» über das sagenumwobene Aussteigerparadies in Ascona TI.
Für Basman wie Hubacher ist es der erste Einsatz nach dem Lockdown. «Endlich wieder arbeiten zu dürfen, fühlt sich toll an», sagt Hubacher. «Ich konnte zwar Kraft tanken, aber jetzt ist wirklich genug.» Basman pflichtet ihm bei, «obschon es seltsam ist, immer nur die Augen der Crew-Leute zu sehen und 15 Mal nach ihrem Namen zu fragen». Am Set herrscht Maskenpflicht, berührte Objekte werden immer wieder desinfiziert. Das Schutzkonzept ist EU-kompatibel, später finden auch in Wien und Köln Aufnahmen für die internationale Grossproduktion statt. «Einmal in der Woche ein Stäbchen in der Nase zu haben, ist speziell, doch ansonsten gewöhnt man sich rasch daran», sagt Basman.
«Ähnlichkeit zwischen uns ist schon fast erschreckend»
Das historische Drama «Monte Verità» erzählt die Geschichte der zweifachen Mutter Hanna Leitner (Maresi Riegner, 29), die hier ihre Leidenschaft für die Kunst leben möchte. Max Hubacher verkörpert ihren zwielichtigen Therapeuten Dr. Otto Gross. Joel Basman mimt den jungen Hermann Hesse (1877–1962), einen der bekanntesten Gäste der angegliederten Künstlerkolonie. «Wie Hesse im Alter aussieht, wusste ich von den Fotos auf den Buchdeckeln. Aber die Ähnlichkeit zwischen mir und ihm auf einem Jugendbild ist schon fast erschreckend», sagt Basman. «Spätestens wenn ich die Brille aufsetze, ist die Verwandlung perfekt. Und wenn Sie wissen wollen, ob der Bart von Max echt ist, müssen sie bloss daran ziehen.»
«Heute nicht mehr als Irrer abgestempelt»
Die Stimmung am Set wirkt locker, doch die Schauspieler sind hoch konzentriert. «Heute hat man das Gefühl, die Welt mit Anliegen wie Veganismus oder einem möglichen Matriarchat zu revolutionieren. Ich begreife jetzt, dass diese Ideen schon viel früher existierten. Der einzige Unterschied: Heute wird man dafür nicht mehr als Irrer abgestempelt», sagt Hubacher. Basman seinerseits schwärmt von der einmaligen Ambiance: «Man kann nicht leugnen, dass hier ein besonderer Geist herrscht. Es ist ein Kraftort mit mediterraner Note, dazu kommen die fremde Sprache und die Höhe. Und dann schleicht noch der eine oder andere Dichter herum. Mal schauen, was dann die Hesse-Experten meinen.»
Historische Genauigkeit ist den Machern wichtig. Ausser Hanna Leitner existierten alle Figuren auch in der Realität. Wie Ida Hofmann, Mitbegründerin des Siedlungsprojekts, gespielt von Julia Jentsch (42). Dass nicht am Originalschauplatz gedreht werden konnte, hatte architektonische Gründe. Vom früheren Sanatorium ist beim heutigen Restaurant gerade noch die Treppenform übrig. «Unser Ascona ist nun Canobbio bei Lugano, dort haben wir die gewünschte Patina gefunden», sagt Stefan Jäger. «Monte Verità» kommt im Herbst 2021 in die Kinos.