«Wir Frauen sind nicht nur jung und herzig»
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Komikerinnen wütend auf SRF:«Wir Frauen sind nicht nur jung und herzig»

Jetzt melden sich noch mehr Komikerinnen wie Lisa Christ zum «Deville»-Debakel
«Die SRF-Comedy-Abteilung hat definitiv ein Problem mit Frauen»

Nachdem Satirikerin Patti Basler sich mit Kollegin Lara Stoll in einem offenen Brief ans SRF wegen Benachteilung bei der «Deville»-Nachfolge beschwert hat, melden sich nun weitere Komikerinnen zu Wort. Auch sie prangern Sexismus bei der Comedy-Abteilung des Senders an.
Publiziert: 28.02.2023 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2023 um 07:08 Uhr
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Ärgert sich über Sexismus bei SRF-Comedy: Satirikerin Lisa Christ. «Die SRF-Comedy-Abteilung hat definitiv ein Problem mit Frauen in Entscheidungspositionen», erklärt die Solothurnerin.
Foto: SRF/Oscar Alessio

Komikerinnen? Nein, danke. Die Blick-Geschichte, die aufgedeckt hat, dass SRF in der Nachfolge der Late-Night-Show «Deville» wohl wiederholt nur auf Männer setzt, schlägt hohe Wellen. In einem offenen Brief haben sich am Sonntag die beiden Komikerinnen Patti Basler (46) und Lara Stoll (35) direkt an SRF-Direktorin Nathalie Wappler (55) gerichtet und dabei nicht nur den Sexismus der Comedy-Abteilung des Senders kritisiert, sondern auch die strukturelle Benachteiligung von weiblichen Comedians angeprangert.

Für ihre Kritik wurde Basler auf Twitter und in den Blick-Kommentarspalten von vorwiegend männlichen Schreibern heftig angefeindet. Doch die erfolgreiche Satirikerin scheint mit ihrer Kritik nicht nur einen wunden Punkt getroffen, sondern auch eine wichtige Diskussion angestossen zu haben. Denn jetzt melden sich weitere Schweizer Komikerinnen zu Wort, die nach eigener Aussage Geschlechterbenachteiligung bei SRF Comedy erlebt haben und auf die Missstände beim Sender aufmerksam machen wollen. Auch Basler nimmt nochmals Stellung.

Satirikerin Lisa Christ (32): «Für die Nachfolge der ‹Deville›-Sendung wurde ich nicht angefragt. Ich hätte auch nicht zugesagt. Die Gründe dafür sind bereits alle im offenen Brief an die SRF-Direktion aufgelistet. Die SRF-Comedy-Abteilung hat definitiv ein Problem mit Frauen in Entscheidungspositionen. Für den Rest des SRF kann ich das nicht behaupten – in anderen Abteilungen habe ich andere Erfahrungen gemacht.»

Satirikerin Patti Basler (46): «Da es bei der Newsabteilung offenbar bereits besser klappt mit Frauen am Bildschirm, sollte man die Comedy vielleicht mit ihr zusammenlegen. Statt der ‹Arena› schlage ich den Gassenfeger Martullo/Badran vor, Sandro Brotz kann am Schluss das Instant-Protokoll machen, der wär ja auch noch was fürs Auge. Spass beiseite: Ich habe mal einen Piloten eingereicht, ein kurzfristiges Corona-Projekt, und der wurde auch als Patti-Basler-Talk mit Viola Amherd ausgestrahlt. Er war quasi meine Bewerbung, um selber eine Sendung zu machen. Doch auf den Piloten kam man nach der Umstrukturierung nie mehr zurück.»

Comédienne Isabelle Flachsmann (49): «Es ist sehr bedauerlich und frustrierend, dass SRF bei der ‹Deville›-Nachfolge wieder einmal nur auf Männer setzt. Aber es erstaunt mich schon gar nicht mehr. Bis jetzt gab es noch nie ein Comedy-Format bei SRF, in dem Frauen eine zentrale Rolle spielten, das ist nicht mehr zeitgemäss. Wenn wir Comedy-Frauen wenigstens informiert würden, oder es ein Casting gäbe, für solche Jobs könnte frau sich wenigstens bewerben. So bleibt das aber ein kleiner Männerklub, der alle Entscheidungen fällt. Sogar im Bundesrat haben wir mittlerweile mehr Frauen als in der SRF-Comedy-Abteilung. Ich empfehle dem SRF jetzt mutig zu sein und eine Sendung nur für uns Comedy-Frauen zu kreieren, zum Beispiel ‹Chicks with Dicks›. Dann kommen alle auf ihre Kosten.»

Komikerin und Moderatorin Tamara Cantieni (49): «Ich wurde noch nie für ein Casting eingeladen – im Gegenteil: Ich habe schon Konzepte eingereicht, konkret für eine Nachfolge der Late-Night-Show, und habe nicht mal eine Antwort darauf erhalten. Es scheint, als ob beim SRF gar kein Interesse daran bestehe, neue Gesichter zu entdecken, geschweige denn Frauen zu fördern. Auf mich wirkt die Institution wie eine Festung, in die man gar nicht vordringen kann. Es gibt so viele tolle Frauen auf dem Markt, auch in der Comedy-Szene, die einfach nicht beachtet werden. Das SRF geht nichts Neues ein – in der Moderation, aber auch in der Unterhaltung werden altbekannte Gesichter besetzt, die möglichst unauffällig auftreten. Frauen, die laut und besonders sind, haben keinen Platz. Mir fällt hierzu nur Patti Basler ein, und sie macht einen Superjob. Das SRF sollte das Frauenbild mit prägen, wir sind nicht nur jung und attraktiv, wir können auch alt und lustig und laut und unbequem sein.»

Comédienne Chrissi Sokoll (51): «Ich wurde weder in meiner Zeit mit den Peperonis, von 2002 bis 2010, noch seit meinem Comeback als Solo-Comédienne im Jahr 2017 für ein Casting vom SRF eingeladen. Wenn eine Einladung vorgelegen hätte, wäre ich dieser natürlich sehr gerne nachgekommen. Ganz klar besteht beim SRF Nachholbedarf bezüglich der Förderung und Präsentation weiblicher Comedians. Und ich spreche hier definitiv nicht nur von den ‹Newcomern› oder ‹Frischlingen›. Nein, es gibt auch einige ‹alte Hasen› oder Häsinnen oder wie auch immer das genderneutral-frauenfreundlich und überhaupt formuliert werden soll, die sich seit vielen, vielen Jahren unermüdlich über Wasser halten und ihren Job und ihre Passion mit höchster Leidenschaft und grösster Professionalität, Disziplin und Durchhaltewillen ausführen.»

Komikerin Anikó Donáth (51): «Für alle Jobs, die ich je hatte beim SRF, habe ich mich selber eingeladen. Die Exfreundinnen wurden aufgezeichnet, weil ich das SRF auf uns aufmerksam machte. Der Herr am Drücker scheint wenig Ahnung noch Interesse an der aktuellen Theaterszene zu haben. Wie kann er sonst eine Frauengruppe, die seit zehn Jahren erfolgreich durch die Schweiz tourt, ignorieren? Meine Blindbewerbung für eine Late-Night-Show à la Ellen DeGeneres blieb bis heute unbeantwortet.»

Kabarettistin Gülsha Adilji(37): «Ich wurde für kein Casting angefragt. Ich hätte natürlich zugesagt bei einer Anfrage, die Zeit ist definitiv reif für eine Late-Night-Show mit Gülsha Adilji als Host. Ich glaube, dass die Gesellschaft ein Frauenproblem hat und dass es sich unter anderem beim SRF widerspiegelt. Ich denke nicht, dass das SRF grundsätzlich ein Frauenproblem hat, aber partiell glaube ich schon, dass da Luft nach oben ist, zumindest in den Bereichen Comedy/Unterhaltung.»

SRF will nun den Dialog mit den Verfasserinnen des Briefs suchen. Comedychef Tom Schmidlin erklärt gegenüber Blick: «SRF hat den Brief geprüft und die beiden Verfasserinnen kontaktiert. Ein konstruktiver, zeitnaher Austausch steht für uns nun an erster Stelle.» Allgemein könne gesagt werden, dass sich der Sender konsequent für Diversität und die Gleichstellung der Geschlechter einsetze – sowohl im Angebot als auch bei den Mitarbeitenden. «Der Entscheid für die Nachfolge von Formaten wird bei SRF von einem breit abgestützten Gremium gefällt, das einen hohen Frauenanteil aufweist», so Schmidlin.

Umso erstaunlicher bleibt es, dass von den oben aufgeführten Komikerinnen bisher keine an ein Casting zur «Deville»-Nachfolge eingeladen wurde und sie auch von keiner Kandidatin wissen, die eine Einladung erhalten hat.

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