Offener Brief an Direktorin Nathalie Wappler wegen «Deville»-Nachfolge
Patti Basler kritisiert SRF wegen Benachteiligung

Auch die Nachfolgesendung von «Deville» soll von einem Mann moderiert werden. Nun wehren sich Patti Basler und Lara Stoll.
Publiziert: 26.02.2023 um 12:06 Uhr
|
Aktualisiert: 26.02.2023 um 18:28 Uhr
1/5
Patti Basler hat die Nase voll, dass die Prestige-Comedy-Jobs bei SRF unverhältnismässig oft an Männer gehen.
Foto: Keystone

Nachdem Blick publik machte, dass mit Stefan Büsser (37), Patrick «Karpi» Karpiczenko (37) und Gabriel Vetter (40) nur Männer im Rennen um die Nachfolge von Dominic Deville (48) sind, liest Satirikerin Patti Basler (46) SRF die Leviten. Gewohnt pointiert schreibt sie: «Frauen sind ‹ein Versprechen für die Zukunft›, sie müssen sich nur noch etwas gedulden. Wenn der kränkelnde Patient SRF auf dem letzten Sterbebett liegt, wird man sie vielleicht holen. Die Palliativ-Pflege hat man schon immer gerne Frauen überlassen. Ich habe noch Hoffnung für den Sender.» Sie spricht damit an, dass SRF bei den Comedyshows fast ausnahmslos auf Männer als Aushängeschilder setzt.

Mit Branchenkollegin Lara Stoll (35) hat sie einen offenen Brief an Direktorin Nathalie Wappler (55), Kulturchefin Susanne Wille (48) und die Comedy-Redaktion geschrieben, der Blick vorliegt. Dafür sprachen sie mit weiteren Autorinnen, Performerinnen und Comediennes. Sie kritisieren: «Man wird beständig vor vollendete Tatsachen gestellt.» Löhne werden teilweise so stark gedrückt, bis man im besten Falle gratis arbeite. Auch komme es vor, dass ganze Ideen geklaut werden.

Männer haben das Sagen

Auch kritisieren die Komikerinnen den strukturellen Sexismus, den es in der Comedy-Abteilung gebe. «Plant eine Frau eine Sendung, ist sie der Entscheidungshoheit von Männern ausgesetzt», schreiben Basler und Stoll im offenen Brief. Raum für Experimente gebe es kaum. «Gerne möchte man, was in den 90er-Jahren schon funktioniert hat.»

Man sage, die Sehgewohnheit des Schweizer Publikums sei so, dass es «sympathische Männer, mit denen man gerne ein Bier trinken würde», bevorzugt. «Diese Sehgewohnheit wird weiterhin reproduziert und sogar gefördert, indem man online oder via Facebook dauernd alte ‹Fascht e Familie›, ‹Ehepaar Chifler› oder Marco Rima Sketchs und Formate laufen lässt, in denen Sexismus nicht selten zum guten Ton der Comedy gehörte.»

Männer kommen einfacher an Informationen

Basler und Stoll sagen gar, dass es Männern in gewissen Bereichen einfacher gemacht wird. «Um an wichtige Informationen zu kommen, muss enormer Aufwand betrieben werden. Männer, die neu dazukommen, werden diese sofort geliefert.» Inputs aus der weiblichen Perspektiven würden ausserdem oft abgetan mit der Begründung, das Zielpublikum spräche nicht darauf an.

Das wird an SRF-Comedy kritisiert

Allgemeine Punkte

  • Man wird beständig vor vollendete Tatsachen gestellt.
  • Es wird extrem kurzfristig informiert, für Bühnenkünstlerinnen mit vollem Terminplan ist das oft zu knapp.
  • Es werden Sachen versprochen, die so nicht eingehalten werden (können).
  • Man lässt Leute arbeiten, Ideen und Konzepte entwickeln, versucht dann Löhne zu dumpen, bis es im besten Falle ganz gratis ist.
  • Es werden Ideen von Künstler und Küstlerinnen in Teilen oder ganz «geklaut».
  • Man meldet sich einfach nicht mehr.
  • Allgemein fehlende Transparenz

Struktureller Sexismus, der sich unter anderem in folgenden Punkten äussert:

  • Fehlender Support während Projekten. Frauen wurden in Formate gesetzt, die ihnen nicht entsprochen haben und wurden dabei verheizt.
  • Mitarbeitende werden plötzlich ausgetauscht. Man hat unversehens mit neuen Ansprechpersonen zu tun
  • Plant eine Frau eine Sendung, ist sie der Entscheidungshoheit von Männern ausgesetzt.
  • Es gibt keinen Spielraum für Experimente, die Quote muss stimmen.
  • Man sagt, man setze auf junge Talente, die «Mann» entdeckt hat und fördere. Damit wird impliziert, dass diese Frauen erst noch «gut» werden müssen.
  • Gleichzeitig setzt man bei vielen Anliegen in erster Linie auf (ältere) Männer
  • Gerne möchte man, was in den 90er-Jahren schon funktioniert hat («Heinz & Werni», ein Männer-Comedy-Duo, das in die Reihe passt von Divertimento, Marco Cello, Lapsus, Duo Götterspass, Ororpax, Sutter & Pfändler).
  • Man sagt, die «Sehgewohnheit» des CH-Publikums sei so, dass es sympathische Männer, mit denen man gerne ein Bier trinken würde, bevorzugt. Diese Sehgewohnheit wird weiterhin reproduziert und sogar gefördert, indem man online oder via Facebook dauernd alte «Fascht e Familie», «Ehepaar Chifler» oder Marco Rima Sketchs und Formate laufen lässt, in denen Sexismus nicht selten zum guten Ton der Comedy gehörte.
  • Die Comedy-Abteilung hat nie explizit geäussert, dass sie Frauen als Host will. Wichtig sind möglichst viele Lacher/Klatscher pro Minute, möglichst hohe Quote, möglichst grosse, bereits bestehende Online-Followerschaft und gute Umfragewerte.
  • Oft werden gecastete Frauen schliesslich mit Männern ersetzt.
  • Wer als Frau mitarbeitet, darf mitdenken, wird bei der Umsetzung aber ausgebremst.
  • Um an wichtige Informationen zu kommen, muss enormer Aufwand betrieben werden. Männer, die neu dazukommen, werden diese sofort geliefert
  • Inputs aus der weiblichen Perspektiven werden oft abgetan, mit der Begründung, das Zielpublikum spräche nicht darauf an. (Was rein statistisch schlicht falsch ist.)
  • Vorschläge, um vermehrt weibliche Personen und ihre Themen zum Zug kommen zu lassen, werden sehr oft ignoriert.
  • Die Comedy-Abteilung ist unterbesetzt, die Leute sind im Stress, es passieren viele Fehler, welche dann irgendwie korrigiert werden müssen. Da die Künstlerinnen und Künstler am Schluss mit ihrem Gesicht im TV sind, bügeln sie immer wieder aus, was hinter den Kulissen nicht funktioniert.
  • Da es nur einen Sendeplatz für Comedy/Satire gibt, ist es ohnehin schwierig, Diversität zu garantieren.

Allgemeine Punkte

  • Man wird beständig vor vollendete Tatsachen gestellt.
  • Es wird extrem kurzfristig informiert, für Bühnenkünstlerinnen mit vollem Terminplan ist das oft zu knapp.
  • Es werden Sachen versprochen, die so nicht eingehalten werden (können).
  • Man lässt Leute arbeiten, Ideen und Konzepte entwickeln, versucht dann Löhne zu dumpen, bis es im besten Falle ganz gratis ist.
  • Es werden Ideen von Künstler und Küstlerinnen in Teilen oder ganz «geklaut».
  • Man meldet sich einfach nicht mehr.
  • Allgemein fehlende Transparenz

Struktureller Sexismus, der sich unter anderem in folgenden Punkten äussert:

  • Fehlender Support während Projekten. Frauen wurden in Formate gesetzt, die ihnen nicht entsprochen haben und wurden dabei verheizt.
  • Mitarbeitende werden plötzlich ausgetauscht. Man hat unversehens mit neuen Ansprechpersonen zu tun
  • Plant eine Frau eine Sendung, ist sie der Entscheidungshoheit von Männern ausgesetzt.
  • Es gibt keinen Spielraum für Experimente, die Quote muss stimmen.
  • Man sagt, man setze auf junge Talente, die «Mann» entdeckt hat und fördere. Damit wird impliziert, dass diese Frauen erst noch «gut» werden müssen.
  • Gleichzeitig setzt man bei vielen Anliegen in erster Linie auf (ältere) Männer
  • Gerne möchte man, was in den 90er-Jahren schon funktioniert hat («Heinz & Werni», ein Männer-Comedy-Duo, das in die Reihe passt von Divertimento, Marco Cello, Lapsus, Duo Götterspass, Ororpax, Sutter & Pfändler).
  • Man sagt, die «Sehgewohnheit» des CH-Publikums sei so, dass es sympathische Männer, mit denen man gerne ein Bier trinken würde, bevorzugt. Diese Sehgewohnheit wird weiterhin reproduziert und sogar gefördert, indem man online oder via Facebook dauernd alte «Fascht e Familie», «Ehepaar Chifler» oder Marco Rima Sketchs und Formate laufen lässt, in denen Sexismus nicht selten zum guten Ton der Comedy gehörte.
  • Die Comedy-Abteilung hat nie explizit geäussert, dass sie Frauen als Host will. Wichtig sind möglichst viele Lacher/Klatscher pro Minute, möglichst hohe Quote, möglichst grosse, bereits bestehende Online-Followerschaft und gute Umfragewerte.
  • Oft werden gecastete Frauen schliesslich mit Männern ersetzt.
  • Wer als Frau mitarbeitet, darf mitdenken, wird bei der Umsetzung aber ausgebremst.
  • Um an wichtige Informationen zu kommen, muss enormer Aufwand betrieben werden. Männer, die neu dazukommen, werden diese sofort geliefert
  • Inputs aus der weiblichen Perspektiven werden oft abgetan, mit der Begründung, das Zielpublikum spräche nicht darauf an. (Was rein statistisch schlicht falsch ist.)
  • Vorschläge, um vermehrt weibliche Personen und ihre Themen zum Zug kommen zu lassen, werden sehr oft ignoriert.
  • Die Comedy-Abteilung ist unterbesetzt, die Leute sind im Stress, es passieren viele Fehler, welche dann irgendwie korrigiert werden müssen. Da die Künstlerinnen und Künstler am Schluss mit ihrem Gesicht im TV sind, bügeln sie immer wieder aus, was hinter den Kulissen nicht funktioniert.
  • Da es nur einen Sendeplatz für Comedy/Satire gibt, ist es ohnehin schwierig, Diversität zu garantieren.

Der Schritt von Patti Basler und Lara Stoll, SRF öffentlich zu kritisieren, ist mutig. Sie sagen: «Es ist schwierig für Frauen, sich diesbezüglich zu äussern, Kritik zu üben, da das SRF in seiner Funktion als öffentlich-rechtlicher Sender immer noch der einzige Player ist, der den Künstlerinnen im grösseren medialen Rahmen Aufträge zusprechen kann.»

SRF will Frauen fördern

SRF will nun den Dialog mit den Verfasserinnen des Briefs suchen. Comedychef Tom Schmidlin erklärte bereits anlässlich des Blick-Artikels zur «Deville»-Nachfolge: «Comedy war in der Vergangenheit mehrheitlich männlich geprägt – wohl deshalb gibt es Aufholbedarf. Das beobachte ich auch international. Und das gilt es zu unterstützen und junge Künstlerinnen zu fördern und zu ermutigen.»

Dafür würde man Talentförderung betreiben und Workshops und Auftrittsmöglichkeiten bieten. Schmidlin betont auch, dass für die neue Sonntagabendsendung «Künstlerinnen und Künstler für verschiedene Rollen diskutiert und gecastet» würden. Laut Informationen von Blick sollen diese aber stets Rollen einnehmen, in denen sie im Schatten von Männern stehen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?