«Ich gebe dem Kapitalismus und der gierigen Rasse von Menschen, die alles für ihr Geld eintauschen, die Schuld.» Das sind, aus dem Englischen übersetzt, Zeilen aus dem Freestyle Rap, den der Zürcher Musiker Enki D. Snake auf Instagram veröffentlichte. Zeilen, die besonders bei der jüdischen Gemeinde nicht gut ankommen. Gegenüber «20 Minuten» zeigt sich Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebunds, geschockt über den Text des Songs. «Ich habe nicht geglaubt, was ich da höre», sagt er. Für Kreutner besteht kein Zweifel. «In dem Video werden antisemitische Narrative öffentlich wiedergegeben und verbreitet. In Zusammenhang mit dem jüdischen Staat Israel und Kapitalismus spricht er von einer gierigen Rasse, die alles machen würde, um ihre Ziele zu erreichen. Es ist naheliegend, dass damit Juden gemeint sein sollen.»
Weiter rappt Enki D. Snake: «Sie wollen sehen, wie wir getötet werden. Getötet werden wie der Messias, damit sie an den Stränden von Tel Aviv ausschwärmen können.» Auch hier, so Kreutner bediene sich der Musiker «ganz klar an antisemitischen Stereotypen. «So wie die Juden Jesus ermordet hätten, wollen sie jetzt auch die Palästinenser, Araber oder Muslime umbringen. Und danach feiern sie das dann.»
Text werde «künstlerisch verwendet»
Enki D. Snake verteidigt sich gegenüber «20 Minuten» und verneint den Antisemitismus-Vorwurf klar. Er habe auf keinen Fall Stereotypisierungen gegen Jüdinnen und Juden reproduzieren wollen. «Das Wort Israel wird nicht verwendet und schon gar nicht undifferenziert. Natürlich geht es um diese Situation, aber meine Kritik gilt der Politik und der Gewalt und nicht einer Ethnie oder Bevölkerung.» Das Wort «Race» (z.Dt. «Rasse» oder «Rennen») beziehe sich nicht auf eine Ethnie, sondern ein Wettrennen. Somit sei besagte Textstelle so zu übersetzen: «Ich gebe dem Kapitalismus und dem gierigen Wettrennen von Menschen, die Schuld, die alles für Geld eintauschen.» Der Musiker macht klar: «Die antisemitische Verlinkung von Jüdinnen und Juden und Kapitalismus lehne ich absolut ab.»
Die Zeile zum Messias beschreibt Snake als eine «Metapher vom Sündenbock». Der Musiker erklärt auf seinem Instagram-Profil, dass er die ersten zehn Jahre seines Lebens in einem Camp für palästinensische Geflüchtete im Libanon verbracht habe. Als Kind sei Enki D. Snake, dessen bürgerlicher Name Blick bekannt ist, nach Europa gekommen und habe «nicht gewusst, wie man einen Stift hält, liest oder schreibt».
Extremismus-Experte an Tagung mit Karin Keller-Sutter
Dass sich der Rapper der Sprache als Kunstform bedient, sieht auch Philip Bessermann von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Er wägt ab: «Der Text wird künstlerisch verwendet, wo die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit mehr zulässt. Trotzdem dämonisieren die Zeilen des Künstlers Israel.»
Brisant ist, dass der Zürcher 2022 als Extremismus-Experte an einer Fachtagung des Bundes mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter (60) teilnahm. Ausserdem arbeitete er bei der Winterthurer Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention. Sein ehemaliger Arbeitgeber aber will sich «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes» nicht zum Musikvideo äussern.
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