«Ich war unglaublich nervös, weil ich nicht wusste, was ich erleben werde.» So beschreibt die bekannteste Schweizer Alphorn-Virtuosin und Musikerin Eliana Burki (38) ihren Auftritt in Sibiriens Frauengefängnis in Krasnojarsk. «Meine Band und ich wussten, dass die Frauen wegen Mord, Drogen und Prostitution dort einsitzen.» Es war der Abschluss ihrer einmonatigen Ausland-Tour, auf der sie von ihrer Tochter Nala (2) und ihrem Lebenspartner, dem US-Schriftsteller Blas Ulibarri (47), begleitet wurde – auch in den Knast. Die Schweizer Botschaft in Moskau, die Burki für den Auftritt einlud, stufte dies als unbedenklich ein. «Daher hatten Blas und ich auch ein gutes Gefühl», so die Solothurnerin.
«Im Hotel wurden wir von einem Gefängnisbus abgeholt, begleitet von drei Polizisten. Da wurden uns die Handys abgenommen, damit wir keine Fotos machen konnten, da nur offizielle Fotos vom Knast verwendet werden dürfen», sagt Burki. Als sie nach drei Sicherheitskontrollen ankamen, wurden ihre Liebsten in einen speziellen Raum geführt. «Da waren auch andere Kinder, es war alles sehr liebevoll eingerichtet. Girlanden hingen an den Wänden, es gab Kuchen und Spielsachen für die Kinder. Nala amüsierte sich, spielte mit den anderen Kleinen.»
Im Gefängnis geborene Kinder müssen nach drei Jahren weggehen
Die Gefangenen, die gebären, dürfen ihr Kind bis zum Alter von drei Jahren im Gefängnis behalten. Danach gehen diese zur Familie zurück. Ist keine vorhanden, leben sie in einem Waisenheim, wie Eliana Burki erzählt.
«Als wir zu spielen begannen, herrschte eine unglaubliche Stille. Die Frauen waren in ihre grünen Gefängnis-Outfits gekleidet, wegen der Schutzmasken sah man nur ihre Augen.» Sie habe versucht, sie mit ihrer Musik abzuholen. «Ich sang von Heimweh. Wie es sich anfühlt, wenn man die Familie vermisst. Man solle jedoch immer wissen, dass man in den Herzen der Liebsten bleibt – egal, wo man ist oder was man getan hat.» Der Inhalt ihrer Stücke wurde den Frauen jeweils mittels eines Übersetzers erklärt. «Ihre Augen begannen zu leuchten, vielen rannen Tränen über die Masken, uns auf der Bühne auch. Wir waren alle sehr gerührt, es war mein emotionalster Auftritt», sagt Eliana Burki.
Ihr Auftritt, für den es von den Frauen eine Standing Ovation gab, blieb nicht unbemerkt – Burki wurde ins lokale Fernsehen eingeladen. «Dass ich mit meiner Musik Momente der Ablenkung und der Liebe schenken konnte, erfüllt mich mit Demut und Dankbarkeit. Die Tränen der Gefangenen werde ich nie vergessen.»