Ein Paar sitzt am Esstisch. Er trägt einen Anzug – und einen überdimensionierten Hasenkopf. «Tatort»-Komissarin Carol Schuler (36) hat ein pinkes Kleid an – und rammt dem Hasenmann mit aller Wucht eine Gabel in die Handoberfläche, bevor sie ihn zum Tanz durch das ganz in Pasteltönen gehaltene Wohnzimmer bittet. Nachdem sie den ganzen Raum gestaubsaugt hat, während er wie ein nasser Sack auf dem Sofa fläzt, schlägt sie ihm schliesslich eine Glasflasche über den Kopf. Was sich wie Szenen aus einem skurrilen Arthouse-Film anhört, ist der Videoclip zu «Nitroglycerine», dem neusten Song von Schauspielerin Schuler. Für einmal ermittelt sich nicht, sondern tritt als Sängerin in Erscheinung – «und ich glaube, viele Leute sind ein wenig überrascht, wenn sie auch diese Seite von mir sehen.»
Die andere Seite, die Schuler anspricht, ist diejenige der Rockmusikerin – mit einer klaren Botschaft, die im knapp viereinhalbminütigen Clip weder zu übersehen noch zu überhören ist. Die Schauspielerin singt beispielsweise: «It's time for you to finally pay some respect» («Es ist Zeit für dich, endlich Respekt zu zollen») und zeigt im Bild etwas überspitzt, dass man sich diesen manchmal gewaltsam erkämpfen muss. Schuler erklärt gegenüber Blick: «Es geht um die feministische Forderung nach Gleichberechtigung.» Dass dieser Kampf explosiv sein kann, spiegelt sich im Titel wider: «Nitroglycerin ist der explosive Bestandteil von Dynamit. Es ist eine Metapher: Wenn man Druck darauf ausübt, explodiert es halt relativ schnell.» Als Frau werde man oft so lange herumgeschoben, bis es irgendwann reiche.
Den Zahn der Zeit getroffen
Mit «Nitroglycerine» trifft Schuler den Zahn der Zeit – und spricht den immerwährenden Machtmissbrauch an, den die Schauspielerin und Sängerin nicht nur in der Musikszene (Rammstein) oder Filmbranche (Weinstein) beobachtet: «Aber: Die junge Generation von Frauen haben heutzutage ein ganz anderes Selbstverständnis. Das war, als wir jung waren, noch anders. Es weht ein neuer Wind. Ausserdem unterstützen sie sich gegenseitig.»
Der Zürcherin ist klar, dass ihr vor Anspielungen strotzendes Video nicht überall Anklang finden kann, aber: «Da ich selbst Regie geführt habe, war für mich klar, dass ich es genau so und nicht anders haben möchte.» Eines ist Schuler besonders wichtig, mit «Nitroglycerine» zeigen zu können: «Es geht nicht darum, dass Feminismus den Männern etwas wegnehmen möchte», sondern auf ein bestehendes Problem hinzuweisen, dass sich durch alle Bevölkerungsschichten ziehe. Wenn die Schauspielerin ihre Bekanntheit – und gute Musik – dazu nützen kann, genau das zu tun, ist das mehr als wünschenswert.