Bei der Aufbahrungszeremonie von Queen Elizabeth II. (†96) in Edinburgh gestern Montag wurde die schottische Krone auf dem Sarg der Monarchin platziert. Ein Bild, das bei Monarchie-Kritikerinnen und Kritikern eine alte Wut wieder aufflammen liess: nämlich den Streit um den Koh-i-noor-Diamanten.
Dieser gilt als der älteste und, mit 108,93 Karat, grösste Diamant der Welt. Der Koh-i-Noor schmückt die Krone von Queen Mum (1900-2002), der Mutter von Queen Elizabeth II. Das Schmuckstück wird im Tower von London gelagert, wenn es nicht zu offiziellen Anlässen genutzt wird. Das letzte Mal war dies bei der Beerdigung der Königinmutter im Jahr 2002 der Fall. Damals wurde die Krone auf den Sarg platziert.
Ein Diamant mit einer langen Geschichte
Die Geschichte des Koh-i-noor-Diamanten soll über 5000 Jahre zurückreichen. Erstmals, so vermuten Forscher, wurde der Schmuckstein in Sanskrit-Schriften im heutigen Indien erwähnt. Erste bestätigte Aufzeichnungen stammen aus dem Jahr 1304, damals war der Diamant im Besitz eines nordindischen Herrschers.
Über die Jahrhunderte wechselte der Koh-i-noor zahlreiche Male durch Plünderungen und Kriege den Besitzer, bis er schliesslich 1747 in die Schatzkammer von Punjab, später Britisch-Indien, gelangte. 1849 wurde der damals erst elfjährige indische Herrscher Duleep Singh von der britischen Kolonialmacht gedrängt, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, der auch die Übergabe des Diamanten an die englische Königin Victoria (1819-1901) beinhaltete. So gelangte der Stein nach Grossbritannien.
Indien will Diamanten «freundschaftlich zurückgewinnen»
Immer wieder forderten Gegnerinnen und Gegner der Monarchie, dass der Koh-i-noor seinen Weg zurück nach Indien finden soll. Dabei steht besonders die Frage im Vordergrund, ob der junge Duleep Singh den Diamanten freiwillig übergeben hat. 2016 prüfte ein indisches Gericht eine Petition zur Rückgabe des Steines und kam zum Schluss, dass er von der britischen Kolonialmacht weder entwendet noch unter Zwang annektiert worden sei. Das indische Kulturministerium will allerdings weiterhin versuchen, den Diamanten «freundschaftlich zurückzugewinnen», wie es nach dem Gerichtsentschluss mitteilte.
Auf Twitter flammen nun, nach dem Tod von Queen Elizabeth am 8. September 2022, die Forderungen wieder auf, den Koh-i-noor nach Indien zurückzuführen.
Die Geschichtsprofessorin Danielle Kinsey von der Universität Carleton in Ontario erklärt gegenüber «NBC» den Ursprung dieser Forderungen: «Die Geschichte des britischen Imperialismus ist eine von Gewalt, Enteignungen, Vorurteilen und Ausbeutung. Ich denke, dass viele Menschen sehr verärgert darüber sind, dass der Koh-i-noor noch immer als Trophäe des Imperiums fungiert, solange er in Besitz der britischen Krone ist.»
Koh-i-noor wird vermutlich von Camilla getragen
Es sei jetzt an König Charles zu entscheiden, ob der Diamant wieder zurückgegeben wird, sagt Kinsey und fügt an: «Schauen wir es pragmatisch an, hält die Krone an dem Stein fest, weil eine Rückgabe ein Eingeständnis wäre. Der Vermögenswert ist nebensächlich.»
Vorerst, so vermutet die Historikerin, wird die Krone mit dem Koh-i-noor Teil der Kronjuwelen sein, die Königsgemahlin Camilla (75) zur Verfügung gestellt werden. Jetzt, da ihr Mann Charles III. König ist. (grb)
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