Historie ohne Hysterie. Ganz unaufgeregt verkündete Königin Margrethe II. (83) von Dänemark in ihrer Silvesteransprache, dass sie am 14. Januar den Thron an ihren ältesten Sohn Kronprinz Frederik (55) übergebe. Auf den Tag genau 52 Jahre nachdem sie den Thron bestiegen hatte. Als Grund nannte sie die Rückenoperation im Februar 2023. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt», sagte die Monarchin. Somit beendet die dienstälteste Monarchin Europas und das weltweit am längsten amtierende weibliche Staatsoberhaupt ihre Regentschaft.
Mit «Daisy», wie sie vom Volk liebevoll genannt wird, tritt die coolste Königin Europas ab. Eine, die Landschaftsbilder malt, Dackel liebt und für den Netflix-Film «Ehrengard: Die Geschichte einer Verführung» die Kostüme und das Set-Design kreierte. Ihre Abdankung zu Lebzeiten ist ungewöhnlich. Seit Entstehung der dänischen Monarchie vor über 1000 Jahren gab es kein gekröntes Haupt, das freiwillig auf den Thron verzichtete.
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Die Dänen-Queen im Schatten der britischen Königin
Königin Margrethe II. stand lange im Schatten ihrer Cousine dritten Grades: Queen Elisabeth II. (1926–2022). Über Jahrzehnte beherrschten Schlagzeilen aus dem britischen Königshaus die internationalen Schlagzeilen: der tragische Todesfall von Lady Di (1961–1997), sexuelle Missbrauchsvorwürfe gegen Prinz Andrew (63), die Skandalbiografie von Prinz Harry (39). Die Queen stand wie ein Fels in der Brandung, jeder noch so grosse Sturm brachte nicht einmal ihre Frisur durcheinander.
Historiker Leonhard Horowski (51), Autor des Buchs «Das Europa der Könige», sagt über die beiden Überfrauen der europäischen Monarchie: «Beides sind interessante Figuren, aber Margrethe scheint mir interessanter. Eine Königin mit gewissermassen Nerd-Interessen, zu denen sie genauso offen stand wie zu persönlichen Schwächen. Im Vergleich damit war Elizabeth sowohl verschlossener als auch konventioneller.»
Das Erbe der Dänen-Queen wiegt schwerer als ihre Krone. Horowski: «Das für mich Interessante an ihr ist, wie sich in ihrem Verhalten Modernität und Tradition verbanden. Margrethe zeigt, dass Coolness königliche Wurzeln hat.» Sie sei im guten Sinne eine ungewöhnliche Königin und Persönlichkeit gewesen, die ihre Dynastie durch eine für die Monarchie schwierige Zeit brachte, «ohne sich zu verbiegen oder farblos zu werden».
Affären-Gerüchte überschatten den Thronwechsel
Gleichzeitig habe sich die dänische Monarchie in den letzten Jahrzehnten unglaublich verändert. «Margrethes Mutter war eine schwedische Königstochter, ihre Schwestern heirateten brav nach Spielregel einen König und einen Fürsten. Gemessen daran war schon Margrethes Ehe mit dem – übrigens nur scheinadligen – französischen Grafen Henri de Laborde de Monpezat unkonventionell. Erst recht die bürgerlichen Ehen ihrer beiden Söhne, denen sie keine Steine in den Weg legte, obwohl so etwas in den tausend Jahren davor niemals denkbar gewesen wäre», sagt Horowski. Auch Margrethes persönliche Interessen, wie Kunst, Theologie und Archäologie, seien aus königlicher und patriarchalischer Perspektive genauso ungewöhnlich gewesen wie, dass sie jahrzehntelang, auch öffentlich Zigaretten rauchte, was ihr den Übernamen «Königin Aschenbecher» einbrachte.
Ein Schwerpunkt des künftigen Königs Frederik X. sieht der royale Historiker im Bereich des Sports, was wesentlich traditioneller sei als die Interessen seiner Mutter. «Übrigens ist er in Dänemark der erste König mit einem Universitätsabschluss. Er muss sich zwar beweisen, unterschätzen würde ich ihn jedoch nicht.»
Spekulation über Thronwechsel in Schweden
Durch die Affären-Gerüchte um Frederik mit der mexikanischen Schauspielerin Genoveva Casanova (47), die Ende Oktober in Madrid zusammen gesichtet worden sind, stehen die skandinavischen Royals im grellen Scheinwerferlicht. Seither scheint die Ehe mit Kronprinzessin Mary (51) in Schieflage zu sein. In wenigen Tagen wird sie zur Königin, ihr Gatte zu König Frederik X. von Dänemark. Ob es die beiden so kurz nach dem Skandal schaffen, als Einheit vor dem Volk zu stehen, wird sich zeigen.
Spekuliert wird, ob als Nächstes der schwedische König Carl XVI. Gustav (77) den Thron an Kronprinzessin Victoria (46) übergibt. Dann hätte Europa zumindest wieder eine Königin. Doch macht es überhaupt einen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann auf dem Thron sitzt? Horowski meint: «Bis ins 19. Jahrhundert hatten europäische Monarchen reale politische Macht, bis ins 20. Jahrhundert lebten sie in einer sehr patriarchalischen Gesellschaft. Unter diesen beiden Bedingungen hatten es Könige strukturell leichter. Königinnen mussten sich mehr Mühe mit der Machtausübung geben. Ging das gut, waren sie oft kompetenter als Männer.» Heute haben Monarchen keine Macht mehr. Aber cool sind sie immer noch, wie Margrethe II. bewiesen hat.