Blick trifft den Berner Bluessänger Philipp Fankhauser (59) in seiner Wohnung im Zürcher Unterland zum Interview. Vor einem Jahr stellten die Ärzte bei ihm Myelofibrose fest, eine lebensgefährliche Erkrankung des Knochenmarks. Er musste sein gewohntes Leben aufgeben und sich einer langwierigen Stammzelltransplantation unterziehen. Im Gespräch erinnert sich Fankhauser an jene Berner Musikerfreunde, die schon für immer gegangen sind, an Polo Hofer (1945–2017), Hanery Amman (1952–2017), Endo Anaconda (1955–2022) und Boris Pilleri (1960–2023). Und an Kuno Lauener (62), der vermutlich nie mehr live auftreten wird. «Ich würde wohl durchdrehen», meint Fankhauser nachdenklich. Doch er schaut auch vorwärts, auf sein Comeback-Konzert und die folgende Tour, auf das helle Licht am Horizont, auf das Leben und die Kraft, die er aus der Kunst schöpft.
Blick: Unsere erste Frage liegt natürlich auf der Hand: Wie geht es Ihnen?
Philipp Fankhauser: Eigentlich gut, ich bin wirklich zufrieden. An den zwei letzten Wochenenden habe ich hier mit meiner Band geprobt. Noch vor einem Monat wäre das nicht möglich gewesen, ich hätte zu wenig Sauerstoff gehabt. Ich fand, wir klangen fast so gut, wie bei unserem letzten Konzert im Sommer 2023. Es muss jetzt aber auch wieder gehen, ich will endlich zurück auf die Bühne. Das erste Konzert ist am 1. März in Stäfa.»
Also sind Sie über den Berg?
Ich hoffe es. Ende November bekam ich zum letzten Mal Blutkonserven. Vor zwei Monaten stellte man erstmals fest, dass die Werte stabil bleiben. Jetzt arbeiten die Spenderzellen von selber. Viel von der Müdigkeit und Mattheit ist schon verschwunden. Und die Krankheit ist weg. Sie ist nicht nur geheilt, sie ist schlicht nicht mehr da! Ich bin wie ein Neugeborenes, sagt mein Arzt. Es ist wirklich ein Wunder der Medizin. Ich habe jetzt auch eine neue Blutgruppe, vorher 0, jetzt A. Schon das ist magisch. Selbst wenn dadurch auch alle Impfungen weg sind.
Spielten Sie nie mit dem Gedanken, sich dieser Behandlung zu entziehen?
Als ich die Diagnose bekam, geriet ich erst einmal in Schockstarre. Denn am Ende hätte mir Leukämie gedroht. Als mir die Ärzte sagten, eine Transplantation verspreche vollständige Heilung, fragte ich, ob wir nicht gleich loslegen könnten. Doch der Zeitpunkt war für meinen Körper noch nicht ideal. Einen Monat vor dem Eingriff bekam ich dann plötzlich unheimlich Schiss und sagte mir, dass ich ohne die Behandlung ja auch noch zwei Jahre zu leben hätte. Doch mein Vertrauensarzt, den ich seit 20 Jahren kenne und der mich auch wegen Morbus Bechterew behandelt, wurde beinahe wütend und meinte: «Hast Du das Gefühl, ich habe dich so lange aufgepäppelt, damit du jetzt einfach verschwinden kannst?»
Sie gaben Ihren Widerstand auf?
Ich konnte gar nicht anders. Und der Eingriff selber war dann relativ einfach. Beim Schlüsselbein wurde ein Katheter gesetzt, alle Substanzen gingen dort rein und raus. Nach acht Tagen Chemotherapie erhielt ich erstmals vier, fünf Beutel dieser seltsamen Flüssigkeit. Nichts Schönes, es sah aus wie Mehlsuppe. Ich musste aber nie leiden, hatte kaum Schmerzen, nicht einmal schlaflose Nächte. Dann kam ich heim und meine Managerin Sabine schaute täglich zu mir. Ich konnte zuerst nicht einmal eine Tasse tragen und musste zwölf Tabletten täglich schlucken. Und ich hatte Mühe, etwas zu essen. Seit letztem Frühling habe ich 20 Kilo abgenommen. Durch die Medikamente schmeckte alles gleich. Nur Ragusa funktionierte glücklicherweise (lacht).
Dachten Sie nie, warum ist das Leben gerade zu mir so gemein?
Mit dieser Frage habe ich mich schon als Kind abgemüht. Ich wusste lange nicht, dass ich Morbus Bechterew habe. Diagnostiziert wurde diese Krankheit erst 2004. Sie ist übrigens dank der Transplantation auch verschwunden, nur die Folgeschäden sind noch da. Ich wuchs im Tessin auf, machte wegen meiner Steifheit keinen Sport und war übergewichtig. Richtig untersucht wurde ich nie. Als Jugendlicher, gerade als schwuler Jugendlicher, hätte ich Freude gehabt, wenn ich etwas besser ausgesehen und nicht so unbeweglich gewirkt hätte. Die andern sprangen in Ponte Brolla in die Maggia und ich musste zuschauen. Ich habe oft gehadert. Und wenn es schon Social Media gegeben hätte, wäre ich wohl schwer gemobbt worden. Kinder können furchtbar sein. Und wenn Du sagst, «ich bin krank», wird es noch schlimmer. Das hat mich stark geprägt. Und war wohl der Grund, warum ich Blues- und nicht Popsänger geworden bin. Die Einsamkeit und Melancholie kommen von dort.
Aber Sie blicken nicht im Zorn zurück?
Ich habe ein volles Leben gelebt und nicht viel anbrennen lassen. Ich sagte schon mit 12, ich werde Bluessänger. Das habe ich durchgesetzt, ich war hartnäckig. Es gab immer wieder Misserfolge. Meistens stellte ich viel zu hohe Erwartungen, an mich und die andern. Und verliebte mich immer wieder in Typen, bei denen eigentlich von Beginn weg klar gewesen wäre, dass daraus nichts wird. Meine Verletzungen und Enttäuschungen drückte ich in meiner Musik aus. Indem ich den Blues besang, verlor ich ihn, wenigstens für einen kurzen, glücklichen Moment lang.
Sie werden am 20. Februar 60 Jahre alt. Wie haben Sie es mit dem Älterwerden?
Mit 20 gab ich mein erstes Interview. Damals fragte mich der Journalist: Wie lange wollen Sie spielen? Ich sagte «wohl bis 80» und dachte dabei vermutlich an Legenden wie B.B. King und John Lee Hooker. Je älter, je reifer, der Respekt nimmt zu. Angst verspüre ich keine. Denn ich habe jetzt zwei Geburtstage. Am 20. Februar werde ich 60. Und neu feiere ich auch am 25. Juli, weil damals die Transplantation begann. In meinen Dokumenten steht zwar nichts davon. Aber ich habe nun zwei Zeitrechnungen. Und zwei DNAs. Das ist wirklich aufregend. Die meisten Organe haben meine alte DNA. Das Blut respektive die Stammzellen aber die DNA des Spenders. Ein Traum und gleichzeitig eine sehr kuriose Vorstellung. Ich weiss nicht, wer der Spender ist. Nur, dass er 23-jährig ist, irgendwo auf diesem Globus lebt und die Liebenswürdigkeit hatte, sich zur Verfügung zu stellen.
Philipp Fankhauser, geboren 1964 in Thun BE, begann mit elf Jahren Gitarre zu spielen. 1987 gründete er die Checkerboard Blues Band und tourte mit dieser bis 2000 durch die Schweiz. 1989 veröffentlichte er mit der US-Sängerin Margie Evans (1939–2021) sein erstes Album «Blues for the Lady». 2013 und 2014 war er Teil der Jury der SRF-Castingshow «The Voice of Switzerland». Mittlerweile blickt Fankhauser auf 37 Bühnenjahre und über 3000 Konzerte zurück. Zu seinen bekanntesten Hits gehören «Sunday Morning» oder «Members Only».
Philipp Fankhauser, geboren 1964 in Thun BE, begann mit elf Jahren Gitarre zu spielen. 1987 gründete er die Checkerboard Blues Band und tourte mit dieser bis 2000 durch die Schweiz. 1989 veröffentlichte er mit der US-Sängerin Margie Evans (1939–2021) sein erstes Album «Blues for the Lady». 2013 und 2014 war er Teil der Jury der SRF-Castingshow «The Voice of Switzerland». Mittlerweile blickt Fankhauser auf 37 Bühnenjahre und über 3000 Konzerte zurück. Zu seinen bekanntesten Hits gehören «Sunday Morning» oder «Members Only».
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Tourneeplan «Three Times Twenty» unter www.philippfankhauser.com/shows/