Büne Huber zu neuem Patent-Ochsner-Album «Tag & Nacht»
«Musik geht immer direkt in die Seele»

Das neue Album von Patent Ochsner war eine Zangengeburt. Mit Wädi Gysi verlor Bandleader Büne Huber einen guten Freund, dazu kamen eine Handoperation und ein Velounfall. Doch «Tag & Nacht» klingt nicht düster, sondern ist ein weiterer heller Ochsner-Edelstein.
Publiziert: 29.01.2025 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2025 um 07:49 Uhr
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Büne Huber, Bandleader, Sänger und Texter der Berner Mundartband Patent Ochsner.
Foto: Michael Schär

Auf einen Blick

  • Büne Huber spricht über neues Album und persönliche Herausforderungen
  • Huber musste acht Songs über den Tod seines Freundes kippen
  • Patent-Ochsner-Konzerte sind jeweils nach wenigen Minuten ausverkauft
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude GalliRedaktor People

Blick trifft Büne Huber (62) in seinem Atelier im Berner Nordquartier. Im Interview spricht der Leadsänger und Kopf von Patent Ochsner über die Schwierigkeiten mit dem neuen Studioalbum «Tag & Nacht», über bittere persönliche Stunden und die Süsse des Beifalls.

Blick: Auf dem neuen Album ist ein Song nach Steffisburg benannt. Warum gerade dieser Ort?
Büne Huber: Steffisburg bildete früher die Schweiz punkto Wahlverhalten genau ab. Ich witzelte immer darüber und sagte, man könnte viel sparen, wenn man einfach Steffisburg abstimmen liesse. Im Ernst: Für mich war der Ort eine gute Metapher, um eine Beziehung zu beschreiben, die eigentlich schon zu Ende ist. Man weiss nicht, wo Steffisburg aufhört und wo Thun anfängt. Ich wollte den Ort aber niemandem vermiesen. Und der Gemeindepräsident hat sich über den Song gefreut.

Sie schauen im Song zum Autofenster hinaus und beschreiben, was Sie gerade sehen, die Fressnapf-Filiale und ein Nagelstudio. Arbeiten Sie immer so bildlich?
Ich weiss nicht genau, wie meine Songs entstehen. Es gibt wohl einen Film, der im Gedächtnis abläuft. Ich schnappe einzelne Bilder auf, die später wiederkehren. Ich male dazu, und die Zeilen rutschen zusammen. Ich habe vermutlich eine Art Notizbuch im Kopf (lacht).

Sie haben acht Songs, die zum Tod Ihres Freundes Wädi Gysi ab 2022 entstanden, nicht aufs Album genommen, was die Fertigstellung verzögert hat. Weshalb?
Ich musste diese Songs kippen, weil sie mich beim Live-Spielen zu sehr belastet hätten. Ich konnte mir beim Verfassen etwas vom Leib schreiben und gewisse Dämonen bannen. Aber das heisst nicht, dass ich das Verarbeiten dieses Verlusts jeden Abend auf der Bühne hätte erleben wollen. Musik geht immer direkt in die Seele und ins Nervenkostüm.

War es eine Überlegung, diese Songs separat zu veröffentlichen?
Das war nie ein Thema. Und zwei davon sind ja inhaltlich auf dem Album enthalten, «Universum» und «Lümu». Aber so düster ist das Album nicht. Ich war einfach sehr unsicher im Bezug auf die Geschichte zwischen Wädi und mir. Ich bin auch noch nie gestorben, ich weiss nicht, wie man das macht (lacht).

Sie waren wütend, dass ein geliebter Mensch gehen musste. Kann man etwas lernen aus dem Tod?
Wahnsinnig viel. Wie man Trauer und zulässt und Wut. Und wie man einander noch einmal näher kommt, obschon man weiss, dass das Ende naht. Wie dankbar man sein sollte, dass man noch lebt. Ich habe mich auch gefragt, wie viel Zeit mir bleibt. Mein Vater hat 22'560 Tage gelebt. Ich habe dann KI gefragt, an welchem Tag ich gestorben wäre, wenn ich auch so lange gelebt hätte. Und man lernt, dass es schnell gehen kann. Wädi war 63, so alt werde ich jetzt auch bald. Alles rückt näher. Fragen der Endlichkeit und wie man im Musikbusiness würdevoll altert.

Gibt es dazu schon eine Erkenntnis?
Ich möchte mich einfach nicht dabei ertappen, mich nur noch zu wiederholen. Aber ich habe das Glück, dass unsere Band gross ist und einen breiten musikalischen Hintergrund hat. So fliessen viele Dinge ein und halten mich in Bewegung. Und wir haben ein Credo: Wenn ein Song nervt, egal wie erfolgreich er ist, spielen wir ihn nicht. Dann bleibt er eine Zeit lang zu Hause.

Haben Sie vor diesem Hintergrund auch entschieden, Ihr Testament zu machen?
Ich habe das schon länger hinausgeschoben. Man verdrängt solche Dinge gern. Irgendwann wusste ich, ich will kein «Puff» hinterlassen. Niemand soll später streiten wegen mir. Und ich habe nun auch eine Patientenverfügung. Exit ist noch kein Thema. 

Hätte besser eine längere Auszeit Sinn gemacht, als am Album festzuhalten?
Ich kann nicht sagen, was in meinem Leben wirklich Sinn macht. Ich kann sagen, ich bin ein verlässlicher Partner und habe stets geliefert. Ich hätte wohl eine Pause machen müssen. Aber das kann ich nicht. Ich bin ein Getriebener. Und es geht immer wieder los. Es war schon länger klar, dass wir im Oktober wieder auf Tournee gehen würden. Auf diesen Zeitpunkt hin sollte auch das Album stehen. Was nicht klappte. Ich fürchtete mich vor der Vorstellung, dass Konzertbesucher Songs abfilmen, diese in mässiger Soundqualität ins Internet stellen und sich am 31. Januar alle fragen, warum kein neuer Song auf dem Album sei. Wir baten deshalb immer wieder darum, nicht zu filmen. Und die Leute hielten sich daran.

Patent Ochsner ist auch ein Unternehmen. Sie haben eine Verantwortung für Ihre Bandmitglieder, die mit Ihren Familien von der Musik leben. Treibt Sie auch dies an?
Sicher. Das war ein Teil meines Schamgefühls der Band gegenüber. Dass ich meine Schwierigkeiten nicht erkannte. Die Mitglieder sicherten ihre Zeit zu und sagten vieles ab. Auf mich konnte man sich bisher stets verlassen, nun zum ersten Mal nicht. Es war hart, dies zu akzeptieren.

Subjektiv gesehen haben Sie noch mehr Zuspruch als früher, und all Ihre Konzerte sind jeweils nach wenigen Minuten ausverkauft. Warum?
Wir sind eine Band, die es schon lange gibt. Einzelne unserer Songs sind offenbar beliebt. Und wir sind live recht stark. Ich weiss nicht, wie sich das ergeben hat, beschäftige mich aber auch nicht stark damit. Ich nehme es mit Dankbarkeit an und mit Demut, obschon ich dieses Wort gar nicht mag. Andere Bands sind enorm gut und bekommen den Zuspruch nicht, den sie verdient hätten. Das gibt es. Es ist auch Schwein dabei.

Und mittlerweile singen die YB-Fans nach Spielschluss auch «Scharlachrot». Aber Ihre wahre Liebe gehört schon immer noch dem Eishockey und dem SCB?
Ja, aber ich musste diese Liebe etwas drosseln. Wenn jemand das Bedürfnis hat, mit 53 noch mal Vater zu werden, kann er nicht wegen der Playoffs ganze Abende lang im Stadion bleiben. Wenn ich das Stadion von draussen sehe, glitzert es wie ein Diamant, und ich denke, ich wäre gern dabei, doch das legt sich rasch wieder. Ich bin sonst schon beruflich viel unterwegs. Wenn ich freihabe, gehört die Zeit nun der Familie und den Kindern. Und das stimmt für mich.

Senkrechtstart

Der Berner Mundartband Patent Ochsner gelang 1991 mit ihrem Debütalbum «Schlachtplatte» und den Hits «Scharlachrot» und «Bälpmoos» ein Senkrechtstart. Gründungsmitglied, Texter, Sänger und Kopf der Band ist Büne Huber (62), der auch als Maler bekannt ist. Das elfte Studioalbum «Tag & Nacht» entstand unter dem Eindruck des Todes von Hubers Musikerfreund Wädi Gysi (1959–2022). Dazu kamen erschwerend eine Handoperation und ein Velo-Unfall. Huber lebt in Bern, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. 

Der Berner Mundartband Patent Ochsner gelang 1991 mit ihrem Debütalbum «Schlachtplatte» und den Hits «Scharlachrot» und «Bälpmoos» ein Senkrechtstart. Gründungsmitglied, Texter, Sänger und Kopf der Band ist Büne Huber (62), der auch als Maler bekannt ist. Das elfte Studioalbum «Tag & Nacht» entstand unter dem Eindruck des Todes von Hubers Musikerfreund Wädi Gysi (1959–2022). Dazu kamen erschwerend eine Handoperation und ein Velo-Unfall. Huber lebt in Bern, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. 

«Tag & Nacht» erscheint am Freitag, 31. Januar. 

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