Am 28. Oktober wählen Angehörige von «Friends»-Star Matthew Perry die Notfallnummer 911. Sie haben den Schauspieler in seinem Pool gefunden, er ist nicht mehr ansprechbar. Als einige Minuten später ein Ärzteteam die Villa in Los Angeles erreicht, ist Perry tot. Laut des Autopsieberichts, der vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, starb der Amerikaner an den «unmittelbaren Folgen von Ketamin-Konsum». Dazu beigetragen haben «Ertrinken, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung und die Einnahme von Buprenorphin» – einem Mittel, das gegen Opiat-Sucht verabreicht wird.
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In seinen Memoiren spricht Perry davon, das als Narkosemittel konzipierte Ketamin gegen Depressionen verabreicht bekommen zu haben – eine mittlerweile gängige Methode. Der Schauspieler habe aber entschieden, dass «Ketamin nichts für ihn war». Im Gespräch mit Blick erklärt Marc Marthaler, Suchtexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht in Bern, wie gross die Gefahr ist, nach einer mit Ketamin behandelten Depression in die Sucht zu verfallen – und wieso die Droge gerade auch hierzulande en vogue ist.
Blick: Matthew Perry erhielt Ketamin als Antidepressivum, der Konsum hat schliesslich zu seinem Tod geführt. Wie gross ist das Risiko, nach der Therapie in die Sucht abzurutschen?
Marc Marthaler: Das ist von Person zu Person verschieden, einen direkten Zusammenhang kann man hier aber nicht herleiten. Richtig ist: Ketamin wird während akuter depressiven Phasen eingesetzt, danach greift man im Regelfall auf andere Medikamente zurück.
Die meisten denken bei Ketamin nicht an seine antidepressive Wirkung – sondern mittlerweile an eine Partydroge. Wie kam es dazu?
Ketamin war in erster Linie ein synthetisches Narkosemittel und wurde dafür im medizinischen Bereich verwendet. Aufgrund seiner halluzinogenen und dissoziativen Wirkung hat es auch in die Party-Szene gefunden. Wann genau das war, kann ich ihnen nicht sagen – aber vor 20 Jahren hat man es dort schon gekannt. Mittlerweile ist es zu einem Revival gekommen – und Ketamin ist bei den Jungen wieder sehr in.
Wie erklären Sie sich dieses Comeback?
Niedrig dosiert, kann Ketamin dieselbe Wirkung wie ein Kokain-Alkohol-Gemisch haben. Der Effekt wird als angenehm empfunden.
Inwiefern?
Kokain mit Alkohol gemischt putscht auf. Die Beschreibung eines Ketamin-Rausches ist ähnlich – wie gesagt, niedrig dosiert.
Und das kommt immer häufiger vor?
Es gibt eine nicht-repräsentative Studie innerhalb einer sehr konsum-affinen Gruppe. Ein Viertel der Befragten hat schon einmal Ketamin konsumiert. Das darf man aber auf keinen Fall auf die ganze Gesellschaft anwenden.
Wie wird die Droge konsumiert?
Hauptsächlich nasal als weisses, kristallines Pulver. Es existiert aber auch als Lösung, die man oral einnimmt.
Wenn es sich nicht um eine Minimal-Dosierung handelt, ist der Effekt aber ein anderer, nehme ich an.
Richtig. Es kommt zu Halluzinationen und zur bruchstückhaften Auflösung der Umwelt und des Körperbefindens. Es tritt ein Gefühl von Schwerelosigkeit ein und das Raum-Zeit-Empfinden ändert sich. Bei ganz hohen Dosierungen kann es zur Loslösung von Geist und Körper kommen – zu einer Art Verschmelzung mit der Umgebung. Konsumierende schildern das oft als Nahtoderfahrung.
Ich nehme an, das birgt Risiken. Ist Ketamin in erhöhter Dosierung wie bei Matthew Perry lebensgefährlich?
Ich habe noch nie von einem Todesfall in Folge von Ketamin-Konsum gehört.
Man bringt sich aber schneller in risikoreiche Situationen.
Nicht mehr als etwa auch beim Alkohol.
Wie sieht es mit den Langzeitfolgen aus?
Ketamin kann eine Abhängigkeit mit psychischen Symptomen verursachen. Ein chronischer, langfristiger Konsum hat Auswirkungen auf die Blase. Wir reden hier vom «Ketamine Bladder Syndrome». Die Konsumierenden beginnen irgendwann, Blut zu pinkeln.