Interview mit Queen-Biografin Paola Calvetti
Wie tickt die Königin?

Wie schreibt man eine Biografie über jemanden, den nur die Familie kennt? Paola Calvetti erzählt, wie es zu ihrem Buch über die britische Königin kam und warum es die Briten verfilmen wollen.
Publiziert: 21.03.2021 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2021 um 08:10 Uhr
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Die italienische Schriftstellerin Paola Calvetti hat anlässlich des 95. Geburtstags der Queen im April 2021 ein Porträt über die Königin geschrieben.
Foto: Alessandro Albert
Interview: Franziska Pahle

SonntagsBlick: Frau Calvetti, Sie haben ein Buch über eine Person geschrieben, die noch nie in ihrem Leben ein Interview gegeben hat. Niemand kennt die Queen persönlich, ausser ihrem engsten Umfeld. Wie kommt man auf so eine verrückte Idee – noch dazu als Italienerin?
Paola
Calvetti: Mein Verleger bat mich darum. Man wollte eine Biografie von einer Schriftstellerin, nicht von einem Historiker oder einer Historikerin. Es ist das erste Mal, dass ich eine Biografie geschrieben habe. Ich dachte anfangs auch, das sei verrückt. Königin Elizabeth ist eine Ikone – wie sollte ich das schaffen?

Ein Buch über Herzogin Meghan und Prinz Harry zu schreiben, das wäre einfacher gewesen. Im grossen Enthüllungsinterview mit Oprah Winfrey sprachen sie ausführlich über das Leben am Hof und seine Schattenseiten.
Ja. Das wird die Queen, aus politischer Sicht, aber kaum berühren. Sehen Sie, sie hat mit ihren fast 95 Jahren schon so vieles gesehen, so vieles erlebt, so viele Menschen verloren und so vieles überstanden. Ihr Ehemann Prinz Philip ist krank, sie hat gerade andere Sorgen. Aber persönlich wird ihr das Interview zu Herzen gehen, weil sie ihren Enkel Harry liebt.

Von der Queen gab es lediglich ein kühles Statement als Reaktion.
Sie wurde nicht direkt angegriffen, also hat sie auch keinen Grund, sich zu verteidigen.

Aber der Palast sieht sich mit Rassismusvorwürfen konfrontiert.
Prinz Philip nennt seine Frau «Lilibeth». Es gibt in der ganzen Historie der Königin nur einen Menschen ausserhalb der Familie, der sie «Elizabeth» nennen durfte: Nelson Mandela. Sie liebt Südafrika so sehr. Ausserdem gibt es ein wundervolles Bild von ihr, als sie, 30 Jahre alt, mit dem Präsidenten von Ghana tanzt. Das Commonwealth, die Staatenverbindung aus dem Vereinigten Königreich und vielen ehemaligen Kolonien, ist voll von dunkelhäutigen Menschen, indischen Menschen, weissen Menschen, asiatischen Menschen. Grossbritannien ist wegen der angesiedelten Kolonien eines der buntesten Länder. Es ist unmöglich, der Queen Rassismus vorzuwerfen. Aber es ist nicht unmöglich, dass jemand gedankenlos gemeint hat: «Oh, ich bin neugierig, welche Hautfarbe das Baby haben wird.»

Wie wird es für die Queen nach diesen Vorwürfen weitergehen?
Prinz Philips Tod wird sicher der nächste Meilenstein in ihrer Geschichte sein. Er ist 99 Jahre alt. Die Queen ist zwar darauf vorbereitet, aber trotzdem traurig. Auch sie ist alt – wenn sie stirbt, wird sich alles ändern. Alles.

Warum?
Des Respekts wegen, den alle vor ihr und der Würde haben, die sie ausstrahlt. Mit Prinz Charles oder Prinz William auf dem Thron wird es nicht dasselbe sein. Die jungen Royals werden zwar von der jüngeren Generation geliebt – wegen der Kleider, des Status, des Schmucks, der Schönheit. Die Queen hat Charisma. Prinz Charles weiss viel übers Gärtnern – aber erinnern Sie sich an irgendetwas Wichtiges, das er getan hat? Das Gleiche bei Prinz William und Herzogin Kate. Sie winken nett, helfen und sind freundlich. Aber man erinnert sich nicht an ihre Worte.

In Ihrem Buch haben Sie es geschafft, die Königin als Mensch und nicht nur als Mysterium zu beschreiben.
Ja. Ich war geschmeichelt von der Anfrage, ging nach Hause und habe angefangen zu recherchieren. Ich habe Bücher gelesen, Dokumentationen geschaut. Und dann kam mir der Gedanke: Die Königin ist die am meisten fotografierte Frau der Welt, auch wegen ihres Alters. Keiner weiss, wie kühl sie wirklich ist. Was sie nicht mag, was sie mag – abgesehen von Hunden und Pferden. Sie hat nie in der Öffentlichkeit gesprochen, ihre offiziellen Ansprachen mal ausgenommen. Und genau das macht sie so geheimnisvoll. Also habe ich die Fotografen interviewt und über die Verstorbenen recherchiert.

Was haben die Fotografen Ihnen über die Queen erzählt?
Dass sie eine schöne und leuchtende Haut hat (lacht). Die Queen lässt sich in wenigen Worten kurz beschreiben: Die Pflicht kommt zuerst, erkläre dich niemals, beschwere dich niemals.

Gibt es denn überhaupt etwas, das die Queen aus der Fassung bringen könnte?
Impulsive Menschen.

Wie sind Sie bei Ihrer Arbeit vorgegangen?
Ich habe eine Excel-Tabelle mit drei Spalten erstellt und ihr komplettes Leben dokumentiert. In einer Spalte befanden sich wichtige Ereignisse, in der nächsten die Fotos von grossen Ereignissen in ihrem Leben. Und in die dritte Spalte habe ich die Fotografen der Bilder eingetragen. Darüber fand ich einen Zugang, das war mein Schlüssel. Als ich die Namen der Fotografen sah, wusste ich: Das ist es. Das ist die Perspektive, aus der ich schreiben will.

Ihr Buch soll nun sogar verfilmt werden.
Wir arbeiten an einer Dokumentation, es wird eine italienisch-britische Produktion. Wegen der Pandemie mussten wir unsere Arbeit auf Eis legen, weil wir nicht nach London reisen können, um dort Interviews mit den Fotografen zu führen und zu filmen. Wenn alles klappt, wollen wir Ende Jahr weitermachen. Die Dokumentation soll 2023 erscheinen. Und ich bin so stolz, dass ein britischer Produzent sagte: Aus diesem Buch müssen wir einen Dok-Film machen.

Hoffen wir, dass die Queen ihn noch zu sehen bekommt!
Ja, ich hoffe sehr, dass sie nächstes Jahr noch ihr 70-jähriges Thronjubiläum feiern kann. Wenn sie stirbt, werde ich definitiv zu ihrer Trauerfeier gehen. Es wird eine unglaubliche Zeremonie werden. Ich war schon immer mehr an Royal-Beerdigungen als an Royal-Hochzeiten interessiert. Und dann werde ich das Buch umschreiben und den Anfang ändern. Der Titel wird sein: «Das letzte Foto».

Bei ihrem Nachfolger Prinz Charles werden Sie weniger Mühe haben, eine Biografie zu schreiben. Er ist viel zugänglicher als seine Mutter.
Die Krönung von Prinz Charles wird nicht so ein grosses Ereignis werden. (Paola Calvetti zuckt mit den Schultern.) Man erinnert sich an die Königinnen. Nicht an Könige. Denken Sie nur an Elizabeth I., Queen Victoria. Es waren immer die Frauen, die in der britischen Monarchie Geschichte schrieben.

Paola Calvettis Buch «Die Queen – Elizabeth II. Porträt einer Königin» ist im Handel erhältlich.

Bio-Box Paola Calvetti

Paola Calvetti wurde 1958 in Mailand geboren und lebt auch heute noch dort. Mit ihrer Biografie «Elizabeth II. – Porträt einer Königin» hat sie sich die Schriftstellerin zwei persönlichen Leidenschaften gewidmet: Elizabeth II und der Fotografie. Ihr Werk wurde verfilmt und kommt im September 2022 in die Kinos.

Autorin Paola Calvetti
Alessandro Albert

Paola Calvetti wurde 1958 in Mailand geboren und lebt auch heute noch dort. Mit ihrer Biografie «Elizabeth II. – Porträt einer Königin» hat sie sich die Schriftstellerin zwei persönlichen Leidenschaften gewidmet: Elizabeth II und der Fotografie. Ihr Werk wurde verfilmt und kommt im September 2022 in die Kinos.

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