100'000 – so viele Leben kostete allein die Droge Fentanyl im Jahr 2021 in den USA. Seit Beginn der Pandemie stieg die Anzahl der Toten durch das Opioid in Los Angeles um rund 50 Prozent. Nach ihrer Todesfahrt wurde der Stoff auch im Blut von Schauspielerin Anne Heche (†53) gefunden.*
Die Mutter zweier Söhne begab sich auf eine regelrechte Amokfahrt durch Los Angeles. Sie fuhr in eine Garage, beging Fahrerflucht, wobei sie fast eine Passantin verletzte. Schliesslich crashte sie mit ihrem Mini Cooper in eine Hauswand. Mit 140 Kilometern pro Stunde. Das Auto, in dem Anne Heche eingeklemmt war, fing Feuer, die Schauspielerin erlag eine Woche später ihren schweren Brandverletzungen.
Süchtige kochen Fentanyl-Pflaster aus
Bei der Obduktion wurden im Blut der Schauspielerin Kokain und Fentanyl gefunden. Letzteres ist ein opiumähnliches Schmerzmittel, das erst zur Behandlung starker chronischer Schmerzen eingesetzt wird, wenn kein anderes Mittel mehr hilft. Da schon minimalste Mengen sehr schnell wirken können, wird Fentanyl gewöhnlich als Pflaster, Nasenspray oder Lutschtablette eingesetzt.
Grosse Probleme macht das Mittel aber auf dem Drogenmarkt. Die Wirkung von Fentanyl ist mit der von Heroin vergleichbar – nur 50 Mal stärker! Süchtige kochen die Pflaster aus und spritzen sich den Sud intravenös. Auf dem Schwarzmarkt ist das Schmerzmittel auch als Pulver verfügbar, das durch die Nase gezogen wird.
Weniger als zehn Atemzüge pro Minute
Egal auf welchem Weg: Als Droge eingesetzt, kann Fentanyl von Abhängigen kaum richtig dosiert werden, was nicht selten zum Tod führt. Neben der berauschenden und schmerzlindernden Wirkung besteht bei einer Überdosierung die Gefahr einer Atemdepression. Dabei sinkt die Atemfrequenz auf weniger als zehn Atemzüge pro Minute – der Konsument merkt aber nichts davon.
In den USA spricht man schon seit Ende der 90er-Jahre von einer Opiumkrise. Jeder zweite der 90'000 Drogentoten in Amerika war 2020 Opfer von Fentanyl. Insgesamt sind seit 1999 400'000 Opioid-Abhängige gestorben.
Opioide sind auch in der Schweiz ein Problem
Auch in der Schweiz werden opiumhaltige Mittel zunehmend zu einem Problem. Zwar gibt es gemäss einer Studie, die die ETH im Juni 2022 veröffentlichte, kaum Zahlen zum illegalen Konsum vom Fentanyl. Doch auch hierzulande steigt der Konsum von ärztlich verschriebenen Opioiden wie Oxycodon und, eben, Fentanyl. Und das hat Folgen: Die Notfallanrufe bezüglich Opiod-Vergiftungen stiegen zwischen den Jahren 2000 und 2019 um drastische 177 Prozent, die Verkäufe des Suchtmittels nahmen um 91 Prozent zu.
Eine der Autorinnen der Studie ist Andrea Burden, Professorin für Pharmakoepidemiologie an der ETH Zürich. Sie sagt: «Die in der Studie präsentierten Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs. Wir brauchen unbedingt mehr Daten, um die mit dem Opioidkonsum in der Schweiz einhergehenden Schäden zu verstehen – dazu gehören die Zahl derer, die über ärztliche Verschreibungen eine Abhängigkeit entwickelt haben, und die Zahl der opioidbedingten Todesfälle.» (bsg)
Anmerkung d. Red.: Laut dem Abschlussbericht des Gerichtsmediziners stand Anne Heche während des Unfalls nicht unter Drogeneinfluss. Die Fentanyl-Spuren würden von einem «vom Spital im Nachhinein gegebenen Medikament zur Schmerztherapie» herrühren. (07.12.2022)