Am vergangenen Samstag ist der britische Bestseller-Autor John le Carré 89-jährig an einer Lungenentzündung gestorben. Den Durchbruch schaffte er 1963 mit «Der Spion, der aus der Kälte kam», dem dritten von acht Thrillern um seine Lieblingsfigur George Smiley. Dass ihm die Schweiz Zeit seines Lebens «Sehnsuchtsort und zweite Heimat» war, lässt sich aus seinen frühen Jahren erklären. Die Mutter verliess die Familie, als le Carré fünf war. Mit 16 flüchtete er vor seinem kriminellen Vater nach Bern, das ihm besonders gefiel: «Nahe an den Bergen und trotzdem kultiviert.»
Wie er es zustande brachte, sich ohne Matur und mit eher rudimentären Deutschkenntnissen an der Uni einzuschreiben und zwischen 1948 und 1949 Germanistik und Neue Sprachen zu studieren, bleibt sein Geheimnis. Vieles aus dieser Zeit scheint Legende. So habe er bei den Knie-Gastspielen im Stundenlohn die Elefanten gewaschen. Er lebte in einer Mansarde im Länggass-Quartier zur Untermiete und ernährte sich hauptsächlich von Landjägern und Ruchbrot. Verbrieft ist, dass er für die britische Botschaft Botengänge ausführte und so mit dem Geheimdienst in Kontakt kam.
Eine Wohnung in Wengen, ein Zimmer im Bellevue
Ab 1952 war er für die Inlandsabteilung tätig, ab 1960 für die Auslandsdivision MI6, parallel verfasste er seinen ersten Smiley-Roman. Mit Themenwahl und Erzählweise traf er einen Nerv. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges boomte das Spionage-Genre und machte nicht nur le Carré reich. Ian Fleming (1908–1964) mit der 007-Reihe, Alistair MacLean (1922–1987), Colin Forbes (1923–2006) oder Frederick Forsyth (82) – ebenfalls ein ehemaliger Spion – fischten im selben Teich, stilistisch blieb le Carré aber unerreicht.
Wenn es die Zeit erlaubte, hielt er sich bis zuletzt regelmässig in der Schweiz auf. In Wengen BE besass er eine Ferienwohnung, in Bern stieg er stets im Bellevue ab. Die Nobelherberge hatte ihn bereits als Studenten fasziniert. «Nur hätte ich mir das damals nie leisten können», verriet er 2008 am Rande der Ehrendoktor-Verleihung an der Hotelbar.
Die Schweiz «sei ihm lange als kleines, scheinbar sicheres Atoll auf dem stürmischen Ozean des Weltgeschehens erschienen». Über die Realität machte er sich als Abhör-Experte allerdings keine Illusionen: «Wenn die Schweizer wüssten, wie ihnen selbst ihre eigenen Verbündeten auf der Nase herumtanzen, würde sie das beschämen.»
Neutralität sei nur auf dem Papier möglich. Und auch für das «urschweizerische Bedürfnis, sich gegen alle Seiten abzusichern», hatte er eine eigene Erklärung zur Hand. «Es sind nicht Geld und Macht, die die Menschen korrumpieren. Es ist ganz eindeutig die Angst.»
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