Der weltberühmte Schriftsteller John le Carré, der Thriller aus Abenteuer, Moral und literarischem Flair geschmiedet hat, ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Das hat sein Agent auf Twitter bekanntgegeben. Le Carrés Verlag Penguin Books erklärte mit Blick auf die grassierende Corona-Pandemie weiter, der Tod stehe nicht in Verbindung mit Covid-19.
«Mit grosser Trauer muss ich den Tod eines der grössten Schriftsteller der Welt ankündigen - John le Carré», so Johnny Geller, der Agent des Verstorbenen. Le Carré, der mit bürgerlichem Namen David Cornwell hiess, war am besten für seine im Kalten Krieg angesiedelten Spionage-Romane bekannt.
Seine Familie bestätigte zudem am Sonntag, dass le Carré bereits am Samstagabend im Royal Cornwall Hospital in Truro im Südwesten Englands an einer Lungenentzündung gestorben sei. «Wir alle trauern tief um sein Ableben», schrieb die Familie in einer Erklärung. (kes)
Studierte Germanistik in der Schweiz
Der US-Autor Stephen King (73) würdigte le Carré auf Twitter als «literarischen Giganten und humanitären Geist». Als «einen der grossen britischen Schriftsteller der Nachkriegszeit» bezeichnete ihn Roman-Autor Robert Harris (63) im Gespräch mit dem Nachrichtensender Sky News.
Geboren wurde le Carré am 19. Oktober 1931 in der südenglischen Grafschaft Dorset. Geheimnisse, Verrat und Lügen durchzogen sein familiäres Umfeld. Das waren auch die Themen, die er in seinem literarischen Werk verarbeiten sollte. Seine Mutter verliess die Familie, als er fünf Jahre alt war. Sein Vater war ein Hochstapler, der zwischen erschwindeltem Reichtum und dem Gefängnis pendelte. Mit ihm setzte sich le Carré in vielen Büchern auseinander, wie zum Beispiel in «Ein blendender Spion» (1986).
Le Carré studierte Germanistik in der Schweiz und arbeitete schliesslich als Agent für den britischen Geheimdienst - allerdings nicht besonders erfolgreich. Währenddessen fing er an zu schreiben; mit seinem dritten Roman - «Der Spion, der aus der Kälte kam» - schaffte er den Durchbruch. Er wurde bekannt für seine intelligenten und spannungsgeladenen Spionageromane, die sich vor allem um den Kalten Krieg drehten.
Helden mit Schwächen
Gut und Böse verschmolzen miteinander, die Agenten waren keine Helden, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen. Ein zentraler Charakter war der desillusionierte Meisterspion George Smiley, der von seiner Frau betrogen wurde und an der skrupellosen Realität seiner Branche litt. Seinen bekanntesten Auftritt hatte Smiley im Bestseller «Dame, König, As, Spion» (1974), der 2011 mit Gary Oldman neu verfilmt wurde.
Der Fall des Eisernen Vorhangs veränderte le Carrés Blickwinkel: Seine Bücher handelten nun von Waffenhandel, Machenschaften von Pharma-Konzernen, dem Krieg gegen den Terror oder der russischen Mafia. (kes/SDA)
Auch erfolgreichen Autoren von Spionage-Literatur fällt es meist schwer, als ernsthafte Schriftsteller wahrgenommen zu werden. John le Carré war eine seltene Ausnahme. Seit der Brite 1963 mit «Der Spion, der aus der Kälte kam» auf die literarische Bühne stürmte, gehört er zu den respektierten Autoren. Denn auch wenn in seinen Büchern Spione, Doppelagenten oder Waffenhändler agieren - das Leitmotiv der Geschichten waren immer Grundthemen des Lebens: Lügen, Liebe, Verrat.
Und John le Carré war ein Meister der Spannung. Es ging um Leute, die im Dunkeln auf ihr Schicksal warten, den Herzschlag in der Kehle. Liebende, die vom Strudel der Ereignisse auseinandergerissen werden. Arglose Menschen, die in eine Spionage- oder Mafia-Affäre stolpern. Schaffen sie es, oder schaffen sie es nicht?, lautet die Frage, die den Leser immer schneller eine Seite nach der anderen umblättern lässt. Manchmal ja, manchmal nein, zuletzt häufiger nicht. «Ich überbringe selten gute Botschaften», sagte le Carré selbst augenzwinkernd.
Die Kunst, Geschichten zu spinnen, wurde le Carré - mit vollem bürgerlichen Namen David John Moore Cornwell - in die Wiege gelegt, wenn auch auf eher dramatische Weise. Seine Mutter, eine Schauspielerin, verliess Familie als er fünf Jahre alt war. Sein Vater war ein Hochstapler, der zwischen erschwindeltem Reichtum und Knast pendelte und sich viel später manchmal auch mal für seinen Sohn, den berühmten Schriftsteller, ausgab, um Frauen zu beeindrucken. «Wir lebten ständig in Lügen», erinnerte sich le Carré. «Da hiess es, mein Vater war im Urlaub. Nur, dass er nicht im Urlaub war, sondern im Gefängnis.» Überall traf er auf Verschwörung und Verrat.
Der Reinfall mit dem Russen
Dieser Lebensanfang bescherte David Cornwell eine unbändige Fantasie - und ein Streben nach Stabilität, das ihn in die Arme des britischen Geheimdienstes trieb. In den 50er Jahren kam er unter Diplomaten-Deckmantel nach Deutschland, war als Agent aber nicht sonderlich erfolgreich. Eines Tages sollte er einen Gegenspieler von den Sowjets bei sich zu Hause als möglichen Doppelagenten durchfühlen. «Der Russe kam, trank Wodka, spielte Cello - und sagte den ganzen Abend kein Wort. War das ein Reinfall!», erinnerte er sich. Ein anderes Mal tauchte ein Agent, auf den er warten sollte, schlicht nie auf. Wer weiss, was aus dem Geheimdienstler Cornwell geworden wäre, doch dann entstand «Der Spion, der aus der Kälte kam».
Das dünne Buch, in wenigen Wochen fieberhaft auf Papier gebannt, veränderte Cornwells Leben - und auch die Kunst des Spionageromans. Gut und Böse waren verschmolzen zu grau, die Agenten waren keine Helden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. «Die beste Spionage-Geschichte, die ich je gelesen habe», urteilte Genre-Veteran Graham Greene (1904-1991). Der Roman erschien unter dem Namen John le Carré und anfangs wusste niemand, wer sich dahinter verbarg. Als die Wahrheit ans Licht kam, war es endgültig vorbei mit der Geheimdienstkarriere.
Stattdessen schrieb le Carré fortan über die Welt der Agenten und landete wenige Jahre später seinen grössten Erfolg mit George Smiley, dem desillusionierten Meisterspion, der ständig von seiner Frau betrogen wird und an der skrupellosen Realität seiner Branche leidet. Vor wenigen Jahren wurde das wohl bekannteste Smiley-Buch, «Dame, König, As, Spion» neu verfilmt, mit Gary Oldman in der Hauptrolle. Le Carré liess die Geschichte in «Das Vermächtnis der Spione» 2017 noch einmal aufleben - und rechnete dabei auch mit der Generation des Kalten Krieges ab, die es nicht vermochte, eine bessere Welt zu schaffen. Es hätte auch «Smileys Sünden» heissen können.
«Ich fühle mich bereit, zu sterben»
Der Fall des Eisernen Vorhangs nahm Le Carré die eingespielte Arena für seine Geschichten, und er richtete seinen kritischen Blick nach Hause, in den Westen. Seine Bücher drehten sich um den Waffenhandel, Machenschaften von Pharma-Konzernen, den Krieg gegen den Terror oder den Einfluss der russischen Mafia. Als Publizist kritisierte er die US-Aussenpolitik («Amerika ist verrückt geworden») und forderte mehr Toleranz für den Islam.
«Federball», der letzte seiner veröffentlichten Romane, drehte sich im vergangenen Jahr um den Brexit. In die Worte der Figuren liess er viel von seinen eigenen Ansichten einfliessen: Dass sich Grossbritannien mit dem «beschissenen Chaos» des Brexits in uneingeschränkte Abhängigkeit von den USA begebe und US-Präsident Donald Trump «eine Bedrohung der gesamten zivilisierten Welt» sei. Le Carré selbst beklagte die «absolute Idiotie» von Trumps Handeln, das noch lange nachwirken werde. Und der britischen Premier Boris Johnson müsse "sofort gestoppt" werden. «Ich habe wirklich Angst, Europa zu verlassen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir bleiben, wir den Geist Europas stärken können, und helfen, ein wirkliches Gegengewicht zu den USA, zu China zu schaffen», sagte er in einem dpa-Interview.
Le Carré lebte zurückgezogen mit seiner zweiten Frau Jane in London und in Cornwall, wo er am Samstag starb. Nach einem Turbulenten Leben mit Abenteuern rund um die Welt auf seinen Recherchereisen und auch einiger ehelicher Untreue hatte er seinen Frieden gefunden. «Ich fühle mich bereit, zu sterben», sagte le Carré bereits vor einigen Jahren. «Wenn alles sehr bald vorbei sein sollte, würde ich nichts ausser Dankbarkeit spüren. Es wäre eine Sünde, für ein Leben wie meins nicht dankbar zu sein.» (SDA)
Auch erfolgreichen Autoren von Spionage-Literatur fällt es meist schwer, als ernsthafte Schriftsteller wahrgenommen zu werden. John le Carré war eine seltene Ausnahme. Seit der Brite 1963 mit «Der Spion, der aus der Kälte kam» auf die literarische Bühne stürmte, gehört er zu den respektierten Autoren. Denn auch wenn in seinen Büchern Spione, Doppelagenten oder Waffenhändler agieren - das Leitmotiv der Geschichten waren immer Grundthemen des Lebens: Lügen, Liebe, Verrat.
Und John le Carré war ein Meister der Spannung. Es ging um Leute, die im Dunkeln auf ihr Schicksal warten, den Herzschlag in der Kehle. Liebende, die vom Strudel der Ereignisse auseinandergerissen werden. Arglose Menschen, die in eine Spionage- oder Mafia-Affäre stolpern. Schaffen sie es, oder schaffen sie es nicht?, lautet die Frage, die den Leser immer schneller eine Seite nach der anderen umblättern lässt. Manchmal ja, manchmal nein, zuletzt häufiger nicht. «Ich überbringe selten gute Botschaften», sagte le Carré selbst augenzwinkernd.
Die Kunst, Geschichten zu spinnen, wurde le Carré - mit vollem bürgerlichen Namen David John Moore Cornwell - in die Wiege gelegt, wenn auch auf eher dramatische Weise. Seine Mutter, eine Schauspielerin, verliess Familie als er fünf Jahre alt war. Sein Vater war ein Hochstapler, der zwischen erschwindeltem Reichtum und Knast pendelte und sich viel später manchmal auch mal für seinen Sohn, den berühmten Schriftsteller, ausgab, um Frauen zu beeindrucken. «Wir lebten ständig in Lügen», erinnerte sich le Carré. «Da hiess es, mein Vater war im Urlaub. Nur, dass er nicht im Urlaub war, sondern im Gefängnis.» Überall traf er auf Verschwörung und Verrat.
Der Reinfall mit dem Russen
Dieser Lebensanfang bescherte David Cornwell eine unbändige Fantasie - und ein Streben nach Stabilität, das ihn in die Arme des britischen Geheimdienstes trieb. In den 50er Jahren kam er unter Diplomaten-Deckmantel nach Deutschland, war als Agent aber nicht sonderlich erfolgreich. Eines Tages sollte er einen Gegenspieler von den Sowjets bei sich zu Hause als möglichen Doppelagenten durchfühlen. «Der Russe kam, trank Wodka, spielte Cello - und sagte den ganzen Abend kein Wort. War das ein Reinfall!», erinnerte er sich. Ein anderes Mal tauchte ein Agent, auf den er warten sollte, schlicht nie auf. Wer weiss, was aus dem Geheimdienstler Cornwell geworden wäre, doch dann entstand «Der Spion, der aus der Kälte kam».
Das dünne Buch, in wenigen Wochen fieberhaft auf Papier gebannt, veränderte Cornwells Leben - und auch die Kunst des Spionageromans. Gut und Böse waren verschmolzen zu grau, die Agenten waren keine Helden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. «Die beste Spionage-Geschichte, die ich je gelesen habe», urteilte Genre-Veteran Graham Greene (1904-1991). Der Roman erschien unter dem Namen John le Carré und anfangs wusste niemand, wer sich dahinter verbarg. Als die Wahrheit ans Licht kam, war es endgültig vorbei mit der Geheimdienstkarriere.
Stattdessen schrieb le Carré fortan über die Welt der Agenten und landete wenige Jahre später seinen grössten Erfolg mit George Smiley, dem desillusionierten Meisterspion, der ständig von seiner Frau betrogen wird und an der skrupellosen Realität seiner Branche leidet. Vor wenigen Jahren wurde das wohl bekannteste Smiley-Buch, «Dame, König, As, Spion» neu verfilmt, mit Gary Oldman in der Hauptrolle. Le Carré liess die Geschichte in «Das Vermächtnis der Spione» 2017 noch einmal aufleben - und rechnete dabei auch mit der Generation des Kalten Krieges ab, die es nicht vermochte, eine bessere Welt zu schaffen. Es hätte auch «Smileys Sünden» heissen können.
«Ich fühle mich bereit, zu sterben»
Der Fall des Eisernen Vorhangs nahm Le Carré die eingespielte Arena für seine Geschichten, und er richtete seinen kritischen Blick nach Hause, in den Westen. Seine Bücher drehten sich um den Waffenhandel, Machenschaften von Pharma-Konzernen, den Krieg gegen den Terror oder den Einfluss der russischen Mafia. Als Publizist kritisierte er die US-Aussenpolitik («Amerika ist verrückt geworden») und forderte mehr Toleranz für den Islam.
«Federball», der letzte seiner veröffentlichten Romane, drehte sich im vergangenen Jahr um den Brexit. In die Worte der Figuren liess er viel von seinen eigenen Ansichten einfliessen: Dass sich Grossbritannien mit dem «beschissenen Chaos» des Brexits in uneingeschränkte Abhängigkeit von den USA begebe und US-Präsident Donald Trump «eine Bedrohung der gesamten zivilisierten Welt» sei. Le Carré selbst beklagte die «absolute Idiotie» von Trumps Handeln, das noch lange nachwirken werde. Und der britischen Premier Boris Johnson müsse "sofort gestoppt" werden. «Ich habe wirklich Angst, Europa zu verlassen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir bleiben, wir den Geist Europas stärken können, und helfen, ein wirkliches Gegengewicht zu den USA, zu China zu schaffen», sagte er in einem dpa-Interview.
Le Carré lebte zurückgezogen mit seiner zweiten Frau Jane in London und in Cornwall, wo er am Samstag starb. Nach einem Turbulenten Leben mit Abenteuern rund um die Welt auf seinen Recherchereisen und auch einiger ehelicher Untreue hatte er seinen Frieden gefunden. «Ich fühle mich bereit, zu sterben», sagte le Carré bereits vor einigen Jahren. «Wenn alles sehr bald vorbei sein sollte, würde ich nichts ausser Dankbarkeit spüren. Es wäre eine Sünde, für ein Leben wie meins nicht dankbar zu sein.» (SDA)