Das Schweizer Fernsehen hat sich Regeln für die Berichterstattung auferlegt, mit denen jede Form der Diskriminierung verhindert werden soll: «Wir beschreiben Menschen nicht mit stereotypen Sprachbildern und reduzieren sie nicht auf vermeintlich frauen-, männer- oder herkunftstypische Äusserlichkeiten», heisst es in den publizistischen Leitlinien des SRF.
Nun aber wird der Sender trotz aller politischen Korrektheit von seiner Vergangenheit eingeholt. In einer Kindersendung aus dem Jahr 1996, die bis heute auf der SRF-Website zu finden ist, fiel das N-Wort. 28 Jahre später verbreitet sich die Aufnahme plötzlich im Netz – und sorgt am Leutschenbach für Hektik.
Was heisst «Regen» rückwärts?
Rückblende: In der beliebten Sendung «Hau Ruck» traten zwischen 1994 und 1998 immer dienstags zwei Schulklassen gegeneinander an. Im April 1996 kam es zum Duell Menzingen ZG gegen Rafz ZH. Die Schülerinnen und Schüler mussten erraten, was das Wort «Regen» rückwärts gesprochen ergibt. Ein Menzinger Schüler rief die Lösung – das N-Wort. «Richtig», gratulierte die Moderatorin, «zehn Punkte für euch!» Die Klasse jubelte.
In den sozialen Medien sorgt der Ausschnitt aus dem SRF-Archiv seit einigen Tagen für Diskussionen. Was heute ein Rassismus-Skandal wäre, fiel 1996 kaum jemandem auf. Das Wort war zwar schon damals verpönt, aber noch kein Tabu. Erst um die Jahrtausendwende änderte sich das. Der Ausdruck galt zunehmend als rassistisch und verschwand aus der Alltagssprache.
Die Sendung bleibt auf der SRF-Website
Letzte Woche war der Beitrag im SRF-Archiv plötzlich nicht mehr zu finden. Wer auf das Video klickte, erhielt die Meldung, es sei «aus rechtlichen Gründen» nicht abrufbar.
Blick fragte bei SRF nach. Sprecherin Nadine Gliesche antwortet: «Die Sendung ist versehentlich aus dem Archiv gelöscht worden.» Reiner Zufall also? Auf Nachfrage räumt Gliesche ein, dass über den Beitrag in den vergangenen Tagen intern diskutiert worden sei. Und: «Die Sendung wurde unterdessen wieder aufgeschaltet.»
Dass SRF die heikle «Hau Ruck»-Folge trotz strenger Anti-Diskriminierungs-Richtlinien auf der Website stehen lässt, begründet die Sprecherin mit den publizistischen Leitlinien. Demnach sollen historische Sendungen für Recherchezwecke allen zur Verfügung stehen. Als unveränderte Zeitdokumente würden sie den damaligen gesellschaftlichen Kontext widerspiegeln, obwohl sie «in ihrer Machart, Sprache oder Aussagen heute geltenden Konventionen zuwiderlaufen» könnten.