Jetzt schreien Frauen – vor Glück! Modegigant Zalando führt eine Geschlechterquote fürs Management ein. Konkret: Auf den sechs oberen Führungsebenen soll bis Ende 2023 ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern erreicht werden. Und zwar mit einem Anteil zwischen 40 und 60 Prozent.
Noch im Mai 2019 hat es ganz anders getönt. Zalando gab als Firmenziel Null Frauen in der Geschäftsleitung an. Nur die drei Gründer, ein Finanzchef und der technische Direktor führen die Firma. Alles Männer.
Boykottaufruf in BLICK-Kolumne
Der Verwaltungsrat begründete: Zalando sei eine gründergeführte Firma, die «sehr schlanke Vorstandsstruktur» habe sich bewährt. Damit löste Zalando europaweit einen veritablen Shitstorm aus. Auch BLICK-Kolumnistin Patrizia Laeri (42) erklärte, dass sie den deutschen Online-Modehändler boykottieren werde – obwohl sie eigentlich immer gern bestellt habe. Zalando-Verantwortliche sind daraufhin extra aus Berlin angereist, um sich mit Laeri zu treffen. Umstimmen liess sie sich nicht.
Doch die BLICK-Kolumne hat gewirkt. Der Modegigant zeigt sich plötzlich reuig. «In den letzten elf Jahren lag unser Fokus klar auf der Etablierung und dem Wachstum unseres Geschäfts», sagt Zalando-Co-Chef Ritter. «Wir haben nicht genug Anstrengungen unternommen, um dem entstandenen strukturellen Ungleichgewicht entgegenzuwirken», entschuldigt er sich. Man sei zur Erkenntnis gekommen, dass die Führungsteams nicht vielfältig genug seien.
«Ich war selber erstaunt»
Entsprechend gross die Freude bei Patrizia Laeri. «Ich war selber erstaunt, dass die Kolumne auch in Deutschland und Österreich viral ging. Sie hat anscheinend einen Nerv getroffen. Zalando hat immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt – auch wegen schlechter Arbeitsbedingungen. Aber dass sich die Führung erdreisten würde, Frauen schriftlich und öffentlich im Geschäftsbericht aus der Chefetage auszuschliessen, brachte das Fass zum Überlaufen», so Laeri zu BLICK.
Zalando habe sich aus Berlin sofort telefonisch bei ihr gemeldet. «Die Kolumne hatte für Wirbel gesorgt und die App wurde mehrfach gelöscht. Natürlich war der Online-Händler nicht gerade erfreut. Ich habe mich nach dem Telefonat mal sicherheitshalber mit meiner Anwältin kurzgeschlossen.»
«Oft folgen Worten nicht Taten»
Es seien aber konstruktive Gespräche in Zürich gefolgt. «Dabei stellte sich heraus, dass das Ziel von Null Prozent Chefinnen auch intern für viel Unruhe und Unverständnis gesorgt hat. Im Laufe der Gespräche räumten die Vertreter von Zalando klar einen Lernbedarf ein und versprachen, dass sie einiges anstossen würden», sagt Laeri.
Sie sei sich nicht sicher gewesen, wie ernst Zalando es tatsächlich meinte. «Oft folgen Worten nicht Taten. Ich lasse mich aber immer auch gerne positiv überraschen und gratuliere Zalando zu diesen wegweisenden Schritt. Es ist nicht selbstverständlich, dass Unternehmen auch mal Versäumnisse und Fehler eingestehen», weiss Laeri.
Und: «Es zeigt auch, dass Konsumenten heute dank Social Media eine Stimme und Macht haben und unsensibles Verhalten von Firmen sofort sanktionieren können. Das sind doch grossartige Aussichten. So kann Wandel gelingen», freut sie sich.
Neun Prozent Frauenanteil in Chefetage
2015 hatte Deutschland die Geschlechterquote im Verwaltungsrat eingeführt. Börsennotierte Firmen sind verpflichtet, sich Zielgrössen für die Anzahl Frauen in den Verwaltungsräten und Management-Stufen zu geben. Diese Ziele müssen sie in ihren Geschäftsberichten kommunizieren.
Im Verwaltungsrat sollen 30 Prozent Frauen sein. Davon erhoffte man sich, dass auch mehr Frauen in der Geschäftsleitung Einsitz nehmen. Der Erfolg der Massnahme ist bis jetzt aber bescheiden: Der Frauenanteil in den Chefetagen der insgesamt 160 börsenkotierten Firmen Deutschlands liegt bei knapp neun Prozent.