Verfahren nach Missständen bei Stadtpolizei Bülach
Befangenheit? Polizist ermittelt im Auftrag seines alten Bekannten

Nachdem Missstände bei der Stadtpolizei Bülach bekannt geworden waren, erstattete der Polizeichef Anzeige gegen die eigenen Leute. Ausgerechnet ein alter Bekannter von ihm führt das Verfahren.
Publiziert: 02.06.2024 um 20:01 Uhr
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Drei Insider hatten vor einem Jahr im Blick von einem toxischen Klima berichtet. Mehr als ein Drittel der Mitarbeitenden hatte das Korps in wenigen Monaten verlassen.
Foto: Illustration: Igor Kravarik
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Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Im April 2023 berichteten drei Insider im Blick von einem toxischen Führungsstil des Polizeichefs und einem «Klima der Angst». Innert sieben Monaten hatte bei der Stadtpolizei Bülach ein Drittel der Belegschaft gekündigt.

Kurz darauf erstattete der in der Kritik stehende Polizeichef Anzeige wegen mutmasslicher Amtsgeheimnisverletzung und übler Nachrede. Seit über einem Jahr wird eifrig ermittelt.

Der Polizist, der die Ermittlungen leitet, gehört der Sicherheitspolizei-Spezialabteilung der Zürcher Kantonspolizei an. Die Abteilung mit rund zehn Polizisten ist zuständig für besondere Ermittlungen und Amtsdelikte – beispielsweise wenn Polizisten Korruption oder Politiker Amtsgeheimnisverletzung vorgeworfen wird.

Die Ermittler müssen zum Teil gegen frühere Kollegen ermitteln – was hohe Anforderungen an deren Integrität respektive Unbefangenheit stellt. Gemäss Strafprozessordnung müssen Ermittler in den Ausstand treten, wenn «die Gefahr besteht, dass sie einen Fall nicht unbefangen und unparteilich führen können». Gründe für den Ausstand sind dabei insbesondere Befangenheit wegen Freundschaft, Feindschaft oder engen wirtschaftlichen Beziehungen.

Bekannt seit mehreren Jahrzehnten

Ausgerechnet im Fall der Stapo Bülach ist der Ermittler mit dem Anzeigeerstatter – dem Polizeichef – bekannt. Der Ermittler war in früheren Jahren seiner Karriere für einige Jahre für die Kapo Zürich in Bülach stationiert und hat mit den Bülacher Stadtpolizisten zusammengearbeitet. Er und der Polizeichef kennen sich seit mehreren Jahrzehnten.

Ist der Ermittler noch unabhängig? Die Medienstelle der Kapo Zürich antwortet nur summarisch: Die Zuteilung der Geschäfte erfolge immer unter Einhaltung der geltenden Gesetze und der Beachtung möglicher Befangenheiten. Auch im vorliegenden Fall liege keine Befangenheit vor.

Fast 100'000 Franken Kosten für Steuerzahler

Die Stadt Bülach unterstützt den Polizeichef in seiner Anzeige gegen die eigenen Leute: Sie zahlt ihm den Anwalt, dessen Rechnung sich bis jetzt auf über 17’000 Franken beläuft.

Neben den 60’000 Franken für den externen Bericht, die 11’000 Franken für eine Fachfirma, die 10’000 Franken Rechtsberatung des Stadtrats belaufen sich die Kosten für die Steuerzahler bis jetzt auf fast 100’000 Franken.

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