Selten erregte der Elternabend einer Primarschule so viel Aufsehen: Anfang Woche weihten die Verantwortlichen eines Horts in Birmensdorf ZH die Erziehungsberechtigten über ein Pilotprojekt ein, das vorsah, die Kinder auf dem Hortgelände per GPS-Tracking zu lokalisieren.
Heftige Reaktionen auf diese Ankündigung liessen die Verantwortlichen zurückschrecken – nur Tage später ist der Plan auf Eis gelegt. Die elektronische Unterstützung sei «unverhältnismässig», bemängelten Datenschützer. Andere Kritiker zeigten sich irritiert, weil weder Kinder noch Eltern miteinbezogen worden seien.
Zusätzlich sorgte für Befremden, dass Hortleiter Joel Giger an dem Start-up beteiligt ist, das die technische Lösung entwickelt hat. Giger verteidigt das Projekt: Das Suchen von Kindern auf weitläufigen Schularealen raube viel Zeit und erfordere grosse Ressourcen. «Unser System erlaubt es den Betreuenden, auf Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu verzichten.» Andere Schulen müssten dies vorkehren, weil so viele Kinder zu beaufsichtigen sind.
Tracking triggert
Die Begriffe Überwachung und Tracking beunruhigen. Zumal manche ihr Familienleben in den sozialen Medien teilen, ohne viel auf Datensicherheit oder Privatsphäre zu achten. Dazu passt, dass Kinder mit Uhren ausgerüstet werden, die Erziehungsberechtigten ihren Aufenthaltsort zeigen. In der Westschweiz wird längst praktiziert, was in Birmensdorf gestoppt wurde: Einige Waadtländer Gemeinden tracken die Kinder – zur Beruhigung ihrer Eltern – auf dem Schulweg; wenn sie nicht in den Schulbus einsteigen oder an der falschen Haltestelle aussteigen, wird dies ersichtlich. Eltern können allerdings beantragen, sich dem System nicht anzuschliessen.
Auch Apps zur Kommunikation von Kindertagesstätten mit den Eltern sind seit geraumer Zeit im ganzen Land verbreitet. Nicht zur Ermittlung der Position einzelner Kinder, wie alle Seiten dezidiert festhalten. So auch Heike Isselhorst, Sprecherin des Stadtzürcher Sozialdepartements: «Es geht darum, banale Dinge wie Krankheitsmeldungen, Abholzeiten und Termine über die App zu erledigen und im persönlichen Gespräch wichtige Inhalte zu bereden.»
Ein Trackingsystem einzuführen, habe keine der 340 städtischen Zürcher Krippen je geplant. Dennoch wollen Eltern manchmal umfassend informiert sein, so Isselhorst: Via App erfahren sie tagsüber beispielsweise, wie lange ihr Baby geschlafen oder was es gegessen hat. Sobald das Kind älter ist und solche Angaben für den Familienalltag nicht mehr relevant sind, gebe die App sie nicht mehr weiter.
Betreuung statt Technik
Das grosse Bedürfnis an Informationen aller Art hat einen beachtlichen Markt für technische Lösungen entstehen lassen. Ein weiterer App-Anbieter gibt zum Beispiel an, 50 Kitas nutzten seine Lösung. Wie weit der Datenaustausch gehe, liege im Ermessen von Kindertagesstätten und Eltern, andererseits am Informationsbedürfnis der Erziehenden, wie die Firmengründerin betont.
Statt dass Kitas sich auf Technik verlassen, hält es Maximiliano Wepfer vom Verband Kinderbetreuung Schweiz (Kibesuisse) für entscheidend, dass genügend kompetente Betreuung zur Verfügung steht. Es sei wichtig, genügend qualifiziertes Personal anzustellen.
Grundsätzlich seien Apps zum Informationsaustausch aber nicht so heikel wie Trackinganwendungen, so Wepfer, «denn sie werden nicht eingesetzt, um Personal zu sparen». Die Betreuungspersonen seien stets anwesend, und es liege in der Entscheidungsfreiheit der Eltern, ob und in welchem Umfang Inhalte geteilt werden.