Repräsentative Umfrage zur Arbeitswelt zeigt
Die Schweiz träumt von der 3-Tage-Woche

Die Schweiz als Teilzeitgesellschaft: Hätten wir finanziell ausgesorgt, würden wir nur 60 Prozent arbeiten. Das zeigt eine neue Umfrage. Interessant: Links und rechts halten sich die Waage.
Publiziert: 06.02.2023 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2023 um 17:14 Uhr
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Hängematte statt Bürostuhl: Bräuchten wir den Lohn nicht, würden wir am liebsten nur drei Tage die Woche arbeiten. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Initiative «Geschlechtergerechter».
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Sermîn FakiPolitikchefin

Da hat uns Calvin ganz schön was eingebrockt! Der Genfer Reformator, einer der wichtigsten der Geschichte, gilt als «Erfinder» des Schweizer Arbeitsethos: Wer sich selbst mit eigenen Händen Wohlstand erarbeitet hat, wird als Auserwählter Gottes gesehen.

Und wir wollen auserwählt sein. 42 Stunden pro Woche gelten in der Schweiz als normale Arbeitszeit, damit sind wir in Westeuropa Spitzenreiter. Doch das ist sogar uns zu viel, wie eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sotomo zeigt. Im Auftrag der Initiative «Geschlechergerechter» hat Sotomo Ende letzten Jahres 2019 Personen in der Deutsch- und Westschweiz befragt.

Wir arbeiten so viel, weil wir müssen

68 Prozent von ihnen finden, dass wir zu viel arbeiten – dass es zu wenig ist, finden nur 4 Prozent. Dabei gilt: Je linker, desto gestresster vom Pensum. Während mehr als 80 Prozent der SP- und Grünen-Wähler finden, dass die Schweizer zu viel arbeiten, sind es bei der SVP-Basis nur 53 Prozent – aber auch hier noch mehr als die Hälfte.

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Und warum arbeiten wir so viel? Weil wir müssen. Das legen die Antworten auf eine weitere Frage nahe. Danach gefragt, wie viel man arbeiten würde, wenn man finanziell ausgesorgt hätte, liegt der mittlere Wert bei 59 Prozent. Könnten wir also frei wählen und bräuchten den Lohn nicht, wären uns drei Tage die Woche genug. Das zeigt jedoch auch, dass Arbeit mehr ist als nur Broterwerb.

Die Vorstellungen vom Wunschpensum sind in den verschiedenen Altersklassen und Geschlechtern sehr ähnlich. Kleinere Differenzen gibt es aber: Frauen würden am liebsten 55 Prozent, Männer 63 Prozent arbeiten. Und die Jungen sind nicht etwa fauler: Bei den 18- bis 35-Jährigen ermittelt die Umfrage ein Wunschpensum von 62 Prozent, bei den 56- bis 65-Jährigen von 53 Prozent.

SVPler und SPler würden am wenigsten arbeiten

Auch das Vorurteil, dass Linke lieber weniger arbeiten, während Rechte chrampfen, bestätigt sich nicht: Anhänger von SP und SVP liegen mit einem Wunschpensum von 56 Prozent gleichauf. Mit 63 Prozent am meisten würden die Anhänger von FDP und Mitte arbeiten. Auch in der realen Arbeitswelt zeigt sich, dass Eltern und Paare, die eher linken Parteien zuneigen, nicht weniger arbeiten als solche, die der SVP nahestehen.

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Als Grund, weshalb nicht mehr gearbeitet wird, geben 48 Prozent der Teilzeit arbeitenden Frauen und 40 Prozent der Teilzeit arbeitenden Männer an, dass sie mehr Freizeit wollen. An zweiter Stelle folgt bei den Frauen die Hausarbeit, Männer geben Aus- und Weiterbildungen als zweithäufigsten Grund an.

Die Kinderlosen sollen mehr leisten

Gleichzeitig sind sich die Schweizerinnen und Schweizer bewusst, dass wegen der zunehmenden Alterung der Gesellschaft und des Fachkräftemangels eigentlich Mehrarbeit gefragt ist. 56 Prozent stimmen dieser Aussage zu.

Nur, wer soll die leisten? Die Politik fokussiert vor allem auf Mütter – Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Bevölkerung sieht das ganz anders. Sie will nicht mehr Mütter an die Werkbank, hinter die Kasse oder ans Pult zerren. Sondern Kinderlose, die Teilzeit arbeiten. Ganze 46 Prozent meinen, dass diese in erster Linie gefragt sind. Teilzeiterwerbende Mütter hingegen sollen nur nach dem Willen von 31 Prozent ihr Pensum aufstocken. Generell werden Familien geschont: Dass Mütter und Väter, die gar nicht arbeiten, das ändern sollen, finden nur 42 Prozent.

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Wenig Mitleid mit Gutverdienern

Familien soll die Politik mehr unterstützen. So finden sowohl subventionierte Krippen- und Kitaplätze eine Mehrheit als auch die sogenannte Herdprämie: Auch Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen und dafür ihr Pensum reduzieren, sollen finanziell entschädigt werden.

Allerdings nur, wenn sie es nötig haben: Gutverdiener, die sich nicht voll in den Job hängen, haben die Befragten auf dem Kieker. Insbesondere, wenn sie studiert haben. So finden 70 Prozent der Befragten, dass Leute, die einen guten Lohn haben, aber weniger als 60 Prozent arbeiten, keine Prämienverbilligungen oder Kita-Subventionen mehr bekommen sollen. Für diese Vergünstigungen soll nach dem Willen der Mehrheit der Lohn, den man mit einem Vollzeitpensum verdienen würde, massgeblich sein.

Und noch mehr: Diese Leute sollen, wenn sie eine lange und teure Ausbildung genossen haben, einen Teil der Kosten dafür zurückzahlen müssen. Besonders Männer und über 60-Jährige unterstützen dies.

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Auch Calvin, für viele ein Wegbereiter des modernen Kapitalismus, würde sich wohl dafür aussprechen – schliesslich sah dieser Arbeit und nicht Müssiggang als Zweck des Lebens.

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