Streit um giftige Altlasten im Zürichsee
Gemeinde Uetikon verbreitet falsche Informationen

Vor der früheren Chemiefabrik in Uetikon ZH liegen teils radioaktive Schwermetalle im Zürichsee. Im Streit um das weitere Vorgehen bei der Sanierung macht die Gemeinde nun eine Falschbehauptung.
Publiziert: 08.07.2023 um 01:11 Uhr
1/8
Die geplante Altlasten-Sanierung im Zürichsee vor Uetikon ZH sorgt weiterhin für Kontroversen.
Foto: STEFAN BOHRER
BlickMitarbeiter42.jpg
Daniel JungRedaktor News

Was soll mit den Altlasten geschehen, die auf dem Seegrund vor der ehemaligen Chemiefabrik in Uetikon am See ZH liegen? Auf einer Fläche von rund 75'000 Quadratmetern befinden sich Chemieabfälle und teils radioaktive Schwermetalle. Seit Frühling 2022 läuft eine Sanierung des Seegrunds.

Ursprünglich war geplant und angekündigt gewesen, die belasteten Ablagerungen ganz zu entfernen. Von diesem Vorgehen hat der Kanton jedoch Abstand genommen, nachdem klargeworden war, dass die giftigen Stoffe im Uferbereich tiefer im Boden liegen als erwartet. Ein grosser Teil des Bleis, Arsens, Radiums und Urans soll im Seegrund belassen und mit Kies überschüttet werden.

«Lobby» sucht Spenden

Ende Mai hatte die Baukommission von Uetikon die Projektänderung bewilligt. Darauf kündigte der Verein «Lobby für Uetikon» einen Rekurs gegen die Kiesschüttung an.

Um für den Rekurs Spenden zu sammeln, verschickte die «Lobby» einen Flyer an alle Uetiker Haushalte. «Kein Chemie-Endlager im Zürichsee!», lautete der Titel. Unter anderem heisst es darauf: «Wollen Sie, dass 80 Prozent der Schadstoffe in unserem Trinkwasser-Reservoir bleiben?»

Gemeinderat reagiert scharf

Daraufhin reagierte der Gemeinderat von Uetikon am See am 3. Juli mit einer Medienmitteilung. Der Spendenaufruf sei «irreführend», die «Lobby» betreibe «billige Angstmacherei». Der Gemeinderat wehre sich entschieden «gegen die tendenziösen und unwahren Behauptungen» im Flugblatt.

Brisant dabei: In ihrer Medienmitteilung verbreitet der Gemeinderat selbst eine falsche Information. So behauptet er: «Der weitaus grösste Teil der Schadstoffe wird mit der geplanten Sanierung entfernt.» Diese Aussage ist nicht korrekt.

Kanton bestätigt: Hauptteil soll überschüttet werden

Zwar werden von der gesamten belasteten Fläche rund 80 Prozent abgesaugt, und rund 20 Prozent überschüttet. Mengenmässig sieht es jedoch anders aus. Das bestätigt Markus Pfanner, Mediensprecher der Baudirektion des Kantons Zürich, der für die Sanierung zuständig ist: «Ufernah sind die Schichten mächtiger und die Schadstoffkonzentrationen tendenziell höher. Aus diesem Grund liegt mengenmässig der Hauptteil der Belastung in dem Bereich, der für die Schüttung vorgesehen ist.» Der Löwenanteil der Schadstoffe soll also nicht entfernt, sondern überschüttet werden.

Übersicht über die belasteten Gebiete in Uetikon am See

Pfanner weist darauf hin, dass auch mit diesem Vorgehen das Hauptziel der Sanierung erreicht werde: Die Kontaktfläche zwischen den Altlasten und dem Ökosystem «See» werde eliminiert. Er räumt aber ein, dass die Aussage der Gemeinde nicht korrekt sei.

Die Gemeinde Uetikon reagiert unwirsch auf den Hinweis, dass ihre Medienmitteilung an einem zentralen Punkt eine Falschaussage enthält. So schreibt Gemeindeschreiber Reto Linder: «Der Gemeinderat hält an seiner Medienmitteilung fest und rügt die irreführenden Aussagen der Lobby für Uetikon.»

«Glaubwürdigkeit verwirkt»

Wieso die Gemeinde Uetikon auf ihrer Position beharrt, bleibt unklar. Für die Kosten der Sanierung müssen vertragsgemäss die Nachfolgeorganisation der Chemie Uetikon zu 80 Prozent und der Kanton Zürich zu 20 Prozent aufkommen. Für die Gemeinde Uetikon fallen keine Kosten an.

«Unser Gemeinderat hat in grossen Teilen seine Glaubwürdigkeit verwirkt», sagt der Strahlenschutz-Spezialist Marco Bähler aus Uetikon. Der Gemeinderat foutiere sich in dieser Sache um das Gebot der proaktiven Information der Bevölkerung. «Er scheint den finanziellen Interessen der Nachfolgeorganisation der Chemie Uetikon stärker verpflichtet zu sein als dem See, unserer spirituellen und materiellen Lebensgrundlage», so Bähler.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?