Einmal mehr hat das Tessin vorgespurt: Seit letzter Woche dürfen in Clubs nur noch maximal 100 Personen miteinander feiern. Schweizweit liegt die Grenze aktuell bei 300 Menschen, die Kantone können aber eigene Regelungen verabschieden.
An diesem Donnerstag sind die Kantone Solothurn, Aargau und beide Basel dem Tessin gefolgt. Die Begründung ist unisono dieselbe: Weniger Tanzwütige im Club bedeuten für den Fall einer Corona-Infektion weniger Kontakte, die die Contact Tracer informieren und allenfalls in Quarantäne schicken müssen.
In Zürich bleibt alles beim Alten
Und Zürich? Der Ausgeh-Hotspot der Schweiz hat Ende Juni den ersten Superspreader-Fall verzeichnet. Die einzige Verschärfung ist Stand Donnerstag aber, dass eine ID-Pflicht für die Nachtclubs eingeführt wurde – nachdem zu viele «Donald Ducks» den Contact Tracern das Leben schwer gemacht hatten.
Nach dem Superspreader-Wochenende hatte Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (43) noch mit allfälligen Clubschliessungen gedroht. Doch nun sind nicht mal Personenbeschränkungen geplant. Die Gesundheitsdirektion verweist auf den Gesamtregierungsrat, der das entscheiden müsse. Und dort bleibt die Antwort vage: Die Situation werde eng beobachtet und laufend beurteilt, so ein Sprecher der Zürcher Staatskanzlei. «Sollte diese Beurteilung dazu führen, dass weitergehende Massnahmen opportun sind, wird er diese beschliessen und umsetzen.» Mit anderen Worten: Superspreadern und Contact-Tracing-Sorgen zum Trotz bleibt vorerst alles beim Alten.
Linke Politiker geteilter Meinung
Doch der Druck auf Rickli steigt – nicht nur wegen des Vorspurens anderer Kantone. «Es wäre an der Zeit, auch in Zürich die Personengrenze runterzusetzen», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (51) – denn das sei der bessere Weg als eine komplette Schliessung. «Schliesslich ist das Contact Tracing bereits jetzt offensichtlich überlastet.» Zudem kritisiert die Zürcherin, dass man trotz allem Nachverfolgen der Kontakte weiterhin nicht belegen könne, wo sich die Menschen ansteckten. «Für weitere Massnahmen braucht es nun dringend eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage.» Wichtig sei daher, die Ressourcen aufzustocken.
Gegen übereilte Zürcher Regelungen spricht sich hingegen Grünen-Nationalrat Bastien Girod (39) aus. «Es gilt jetzt abzuwarten, ob die Clubs die Ausweispflicht umsetzen können», sagt er. Es sei aber die «letzte Chance». Wenn die Zahlen weiter steigen, seien zusätzliche Massnahmen nötig.
«Das gibt einen Kahlschlag!»
Die Kantone mit den strengeren Regelungen haben inzwischen andere Sorgen. In Basel-Stadt etwa schlagen die Wirte wegen der 100er-Regel Alarm. «Für Clubs und grosse Bars in Basel bedeutet das faktisch ein Öffnungsverbot. Das überlebt keiner!», klagt Maurus Ebneter vom Wirteverband. «Wenn man uns jetzt nicht finanziell unterstützt, gibt es einen Kahlschlag!» Den die Wirte verhindern wollen. Um die Personengrenze zu umgehen, haben einzelne Basler Clubs eine Maskenpflicht eingeführt – denn wird die Maske getragen, gilt die Grenze nicht mehr.
Beim Gesundheitsdepartement Basel-Stadt hat man «Verständnis für die wirtschaftliche Sicht». Dort betont man aber auch: «Diese Massnahmen müssen jetzt ergriffen werden, bevor die Fallzahlen stark ansteigen.»
Nicht jeder Kanton hilft
Basel-Stadt verweist zudem auf das kantonale Corona-Hilfspaket für die Wirtschaft, das beansprucht werden kann und etwa Mietzinserleichterungen vorsieht. Auch im Aargau können darbende Club- und Barbetreiber Hilfe aus dem Wirtschaftspaket in Anspruch nehmen, das bis Ende September verlängert wurde.
Pech haben Betreiber im Baselbiet. Sprecher Rolf Wirz verweist auf die Unterstützungsmassnahmen des Bundes. Und sagt: «Wir versuchen, einen zweiten Lockdown mit allen Mitteln zu verhindern. Wir gehen davon aus, dass auch die betroffenen Betriebe das wollen.»