Die vergangene Woche hängt wie eine schwarze Wolke über der Zürcher Ausgangsszene. Der Druck ist spürbar. Das Coronavirus omnipräsent – und Gesprächsthema Nummer eins. Selbst bei den Partygängern. «Ich traue mich nicht, heute Nacht in einen Club zu gehen», sagt Louis Berthod (18) aus dem Wallis, der eigentlich extra fürs Wochenende nach Zürich gekommen ist.
Er sitzt mit seinem Kollegen vor der Piranha Bar an der Langstrasse und raucht eine Zigarette. «So lange ich draussen bin und Abstand halten kann, habe ich mit Ausgang kein Problem», sagt er. «Doch es macht nicht gleich viel Spass.»
So sehen es am frühen Abend an der Langstrasse viele. Eine Gruppe junger Frauen geniesst Drinks vor dem 25 Hours Hotel. Sie waren vergangenes Wochenende im Club. «Aber nachdem wir von den Ansteckungen gehört haben, gehen wir vorerst nicht mehr hin», sagt eine von ihnen. «Ausserdem besuche ich morgen mein Grosi.»
Falschangaben erschweren Contact Tracing
Die Auswahl an Partys hält sich an diesem Abend sowieso in Grenzen. In mehreren Clubs waren an den vergangenen Wochenenden Gäste, die das Coronavirus in sich trugen. Das Resultat: Mehrere hundert Menschen mussten in Quarantäne. Und mehrere Clubs haben dieses Wochenende freiwillig zugemacht.
Das eigentliche Problem war das aber nicht. Sondern, dass einige Partygänger falsche Kontaktdaten angegeben haben, als sie den Club betraten. Warnen vor einer möglichen Infektion? Für die Veranstalter so unmöglich.
Es ist kurz nach 20 Uhr abends an der Langstrasse. Die Polizei rollt an. Die Augen der Gäste richten sich auf das Gonzo. Dort sprechen Polizisten einen Mann an. Sie tragen Schutzanzüge und Masken – aus Vorsicht vor Corona.
Der Mann sitzt neben dem Club, der aber noch geschlossen ist. Dann muss er in den Polizeiwagen einsteigen. Die Schaulustigen wenden sich wieder ihren Getränken zu.
«Ich will tanzen und Spass haben»
Wer am Freitagabend in einen Club will, muss seinen Ausweis zeigen und die Handynummer hinterlegen. Am Eingang überprüfen Personal und Türsteher die Daten. So schreiben es die neuen Regeln vor. «Das ist mir viel zu anstrengend», sind sich viele Barbesucher einig.
Nicht so Adem Öztürk (25). Er und seine Freunde sitzen vor der alten Kaserne und hören Musik. «Ich will einfach tanzen und Spass haben.» Dass er nun am Eingang etwas länger anstehen muss, stört ihn nicht. «Ich bin froh, dass einige Clubs überhaupt noch offen haben.»
Auf Gäste wie Öztürk sind Zoë Zimmermann (30) und ihr Team angewiesen. Sie ist Personalverantwortliche im Hive, nahe der Zürcher Hardbrücke. Die vergangenen Tage hat Zimmermann damit verbracht, das Registrierungssystem zu optimieren. Damit am Freitagabend alles klappt.
«Grosse Hau-Ruck-Übung»
«Es war eine grosse Hau-Ruck-Übung», sagt Zimmermann. «Glücklicherweise konnte mir ein Kollege ein System programmieren, mit dem sich die Gäste registrieren können.» Einen Türsteher zu beauftragen, Excel-Listen zu führen, das sei für sie nicht in Frage gekommen.
Kurz vor Mitternacht strömen die ersten Gäste Richtung Club. Am Eingang müssen sie einen QR-Code scannen. Das Smartphone öffnet eine Seite, wo sie ihre Kontaktdaten und die Handynummer eintragen müssen. Dann erhalten sie eine SMS mit einem Link. Einmal darauf klicken – und der Gast ist registriert.
Eigentlich ganz einfach. Doch Zimmermann lacht. «Wir mussten relativ vielen Leuten erklären, wie QR-Codes überhaupt funktionieren.»
Deshalb gehen die Zürcher in den Club
Die Partygäste vor dem Hive wirken entspannter als die Bargänger an der Langstrasse. Micha Blacke (42) feiert hier seinen Geburtstag. Zwei Kollegen aus Hamburg sind extra angereist. «Eigentlich würde ich die Risikoquelle Club vermeiden. Aber ich wollte meinen Freunden unbedingt das Zürcher Nachtleben zeigen», erklärt er.
Die Registrierung fände er aber sinnvoll. «Ich habe auch kein Problem damit, meine richtigen Daten anzugeben.»
Hinter ihm stehen zwei Frauen in der Schlange. «Die Anzahl Fälle hier in der Schweiz ist noch immer tief. Ich habe keine Angst, mich anzustecken, auch nicht im Club», sagt eine der Frauen. Das Contact Tracing bedeute dennoch eine gewisse Sicherheit. «Ich bin froh, wenn ich benachrichtigt werde, sollte ich Kontakt mit einem Infizierten gehabt haben.»
«Wir erfahren wenig Rückendeckung»
Wer das Hive wieder verlässt, muss sich mit einem weiteren QR-Code abmelden. «So wissen wir immer, wie viele Leute im Club sind», erklärt Zimmermann. An diesem Freitag sei der Ansturm relativ gewöhnlich. Trotz der Kritik.
«Die aktuelle Situation ist für uns schon eine Herausforderung», sagt Alexander Bücheli von der Zürcher Clubkommission. Nicht wegen des Contact Tracings. «Man hat entschieden, die Clubs zu öffnen. Und wir erfahren aber wenig Rückendeckung von Politikern», kritisiert er.
Ohne das Nachtleben, ohne die Clubs, ginge ein Stück Zürcher Kultur verloren. «Auch wir müssen lernen, mit diesem Virus zu leben», so Bücheli. Er hofft fest, dass die Massnahmen an diesem Wochenende erfolgreich sind. Zeigen wird sich das erst noch.