Arik Brückner folgt der Philosophie des Silicon Valley: Wenn etwas kaputt ist, soll man es mit Technologie flicken. Als Gymnasiast handelte er erfolgreich mit USB-Sticks, kaum war er volljährig, gründete er sein erstes Unternehmen. Die «Weltwoche» widmete dem Zürcher ein grösseres Porträt, das SRF lud ihn in die Sendung «Aeschbacher» ein.
Jetzt, mit 34, geht Brückner die bislang grösste Wette seines Lebens ein. Er will den Markt für «bezahlte Gesellschaft» revolutionieren: Jemanden für den Opernbesuch oder auch für ein intimes Zusammensein zu buchen, soll so einfach und sicher werden wie ein Uber zu bestellen, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.
Die Plattform, die das ermöglicht, ist seit diesem Jahr online. Sie heisst Choice, und wer sich darauf umsieht, findet zahlreiche Profile, die für Dienstleistungen wie Spazierengehen, Händchenhalten oder mehr werben.
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Was die Seite von anderen Online-Märkten für Dienstleistungen in der Horizontalen unterscheidet: maximale Transparenz. Wer sein «Schäferstündchen» via Choice organisiert, tritt aus dem Nebel, der in diesem Business üblicherweise herrscht.
Womit wir wieder bei der Technologie wären. Bevor Arik Brückner mit dem Aufbau von Choice begann, war er bei einem Zürcher Start-up in leitender Funktion tätig, das Firmen mittels einer App bei Marketing- und Verkaufsprozessen unterstützt.
Einsamkeit als Teufelskreis
Nachdem das Unternehmen vor rund zwei Jahren verkauft wurde, gönnte sich Brückner eine Auszeit – um herauszufinden, was er als Nächstes tun soll. Auf keinen Fall wollte er wie bislang um 6 Uhr aufstehen, um für andere Firmen Probleme zu lösen. «Mein nächstes Projekt sollte einen Impact auf die Gesellschaft haben.»
Brückner sah sich also nach gesellschaftlichen Herausforderungen um, forschte nach ebenjenen kaputten Märkten, die ein Technologie-Update reparieren könnte – und landete beim Thema Einsamkeit.
Wer allein ist, gerät oft in einen Teufelskreis: Man nimmt soziale Interaktion als Bedrohung wahr – und isoliert sich noch mehr. «Weshalb dieses Problem nicht mit bezahlter Gesellschaft bekämpfen?», fragte sich Brückner und begann mit der Planung.
Zurückhaltende Investoren
Obwohl in der Schweiz mit käuflicher Liebe schätzungsweise gleich viel Umsatz erzielt wird wie auf dem Markt für Käse, gilt es immer noch als anrüchig, für Geselligkeit zu bezahlen. «Transparenz ist das einzige Mittel, dieses Stigma zu zerstören», schwört Brückner. Dass kaum ein Investor sich an diesem Thema die Finger verbrennen will, habe ja seinen Grund: Alles dabei geschieht im Verborgenen, die Akteure wendeten häufig Geschäftsmodelle an, die auf Ausnutzung beruhen. «Es kann doch nicht sein», sagt Brückner, «dass man in einem Land, das Tabakwerbung für Jugendliche verbieten will, ohne Altersverifizierung im Netz eine sexarbeitende Person für 200 Franken buchen kann.»
Beide Seiten, Anbietende und Kundschaft, müssen auf Choice einen Verifizierungsprozess durchlaufen, wie man ihn von Banken-Apps kennt. Der Ausweis muss eingescannt, ein Selfie gemacht, eine Telefonnummer angegeben werden. Wenn sie die Plattform nutzen, bleiben die Nutzer jedoch füreinander anonym. Damit sich nach Annehmen einer Buchungsanfrage die Richtigen treffen, müssen sie mittels QR-Codes «einchecken». Die Bezahlung bleibt bis zum Check-in bei der Plattform, «No Shows», wenn eine Absage zu spät oder gar nicht erfolgt, werden den Anbietenden vergütet. Nach jedem Treffen findet ein Feedback bezüglich Einhaltung der Verhaltensregeln statt.
Onlyfans war der Gamechanger
Arik Brückner ist sich bewusst, dass er von den Nutzern seiner Plattform sehr viel verlangt. Damit sind nicht die 10 Prozent gemeint, die Choice zum angebotenen Preis als Gebühr addiert. Wenn es um käuflichen Sex geht, ist für viele Anonymität oberstes Gebot. «Das ändert sich gerade», sagt der junge Unternehmer. Bestes Beispiel sei die US-amerikanische Plattform OnlyFans, auf der Menschen gegen Geld freizügige Bilder, Videos oder Chats von sich verkaufen. OnlyFans habe die Grenzen verschoben, sagt Brückner. Vorher sei das Einscannen eines Ausweises verpönt gewesen. Weil es aber die einzige echte Möglichkeit sei, das Alter der Nutzenden zu überprüfen, werde der Schritt nun von vielen akzeptiert.
Vor Brückner liegt ein langer Weg. Viele Geldgeber wollen nicht in ein Start-up für bezahlte Gesellschaft investieren. Sie scheuen das Reputationsrisiko. Für Brückner ist es gerade umgekehrt: «Würde ich nichts unternehmen, um diesen Markt besser zu machen, wäre das für mich ein Reputationsrisiko.»
Mit Sexarbeit, findet Brückner, sei es doch so: Zwei volljährige Menschen dürfen miteinander intim werden, weshalb oder wozu auch immer sie es wollen. Es müsse nur einvernehmlich geschehen. Choice werde dabei helfen, Menschen mit schlechten Absichten auszusortieren; die Plattform gebe Nutzenden eine sichere Wahl, was sie wo zu welchen Konditionen anbieten wollen.
Brückner: «Ich weiss, dass es passiert. Und ich weiss, dass Technologie es sicherer machen kann.»