Auf einen Blick
Es wäre ein Schritt in die digitale Zukunft: Regionalzüge der Südostbahn (SOB) hätten schon seit Wochen teilautomatisch unterwegs sein können – mit einem elektronischen Fahrassistenzsystem, wie es ähnlich auch in Autos verwendet wird.
Mit Hilfe eines Computers könnte die Geschwindigkeit reguliert werden, ohne dass ein Lokführer eingreifen muss, in Bahnhöfen auch bis zum vollständigen Halt. Zwischen Biberbrugg und Arth-Goldau SZ plante die SOB, das System «ab Herbst» im regulären Betrieb einzuführen – nach nächtlichen Versuchsfahrten auch im Verkehr mit Passagieren. Das Lokpersonal hätte die Assistenz-Technik aktivieren, aber auch abschalten können, die Züge wären also weiterhin nicht «führerlos» unterwegs gewesen.
Doch es bleibt vorerst beim «hätte», «könnte», «würde», denn bis auf hypothetische Planspiele wird aus den Plänen des Unternehmens nichts. «Der Einsatz des Assistenzsystems im kommerziellen Betrieb verzögert sich wegen offener Verfahrens- und Bewilligungsfragen auf unbestimmte Zeit», sagt SOB-Sprecherin Brigitte Baur zu Blick.
Der Grund: Das Bundesamt für Verkehr (BAV) verweigert die Zulassung für den Einsatz des Systems im kommerziellen Betrieb.
Die Machbarkeit des Assistenzsystems sei in einem Vorprojekt erprobt worden, hält Baur fest. Nun hätte man im Normalbetrieb Erfahrungen damit sammeln wollen – etwa in Bezug auf den Energieverbrauch oder die Pünktlichkeit der Züge. Doch ob und wann Züge der Südostbahn die Zukunftstechnik einsetzen dürfen, «ist aus heutiger Sicht völlig offen», so die Sprecherin weiter.
Sicherheitsnachweis fehlt
Das BAV erklärt seine Entscheidung damit, dass der Sicherheitsnachweis für das System «noch nicht vollständig vorliegt», wie Sprecher Michael Müller betont. Das Zulassungsverfahren laufe zwar weiter. Voraussetzung für die Bewilligung einer Fahrassistenz-Technik im kommerziellen Betrieb sei aber ein Beleg, dass alle relevanten Einflussfaktoren einbezogen seien. Dazu gehörten auch die Rolle und Verantwortung des Lokpersonals im Zusammenspiel mit der Technik.
Müller versichert zwar, das BAV unterstütze die Digitalisierung im öffentlichen Verkehr und stehe den Bemühungen der Transportunternehmen, sie voranzutreiben, positiv gegenüber, «besonders, was teilautomatisierte Züge betrifft». Der Sprecher schränkt aber ein: Solche Assistenzsysteme müssten ausreichend sicher sein. Vorher dürfe das Bundesamt sie nicht bewilligen.
Nicht automatisch
Der Verband der Lokomotivführer betrachtet die Bemühungen der SOB, das neue System einzuführen, mit Skepsis. Die Gewerkschaft befürchtet, dass Lokführer künftig nur noch mit der Überwachung des Systems und Nebenarbeiten beschäftigt sein werden.
SOB-Sprecherin Baur widerspricht: Die Assistenz-Technik werde nicht automatisch aktiviert. Das Personal im Führerstand fahre den Zug wie bisher, könne die Wahl der Geschwindigkeit aber für eine bestimmte Strecke dem Rechner übergeben. «Dies entspricht einer bewussten Bedienung, wie wenn in einem modernen Auto der Abstandstempomat eingeschaltet wird», erklärt Baur.
Der Verband der Lokomotivführer kritisierte die Pläne der SOB schon, als sie im Sommer bekannt wurden: Die Monotonie im Führerstand nehme damit noch weiter zu. Wie die «NZZ» berichtete, ist aus Sicht der Gewerkschaft zudem unklar, ob das Lokpersonal dazu verpflichtet werden darf, das System einzusetzen.