Dauerdelinquent Brian (24), der unter dem Alias Carlos schweizweit bekannt wurde, macht weiter, was er will. Gestern hätte er als Angeklagter vor dem Bezirksgericht Zürich erscheinen sollen. Aber – wie ein Justiz-Insider gegenüber BLICK schon im Vorfeld vermutete – Brian hatte keine Lust, an seinem Prozess teilzunehmen. Und wehrte sich mit Händen und Füssen. Selbst das eigens aufgebotene Sonderkommando «Diamant» konnte ihn in seiner Zelle nicht vom Gegenteil überzeugen.
Das Gericht musste den wartenden Prozessbeteiligten also mitteilen: Brian habe in seiner Zelle die Polizisten schon erwartet – in Kampfposition und mit erhobenen Fäusten. «Man hätte den Angeklagten nur mit dem Einsatz von Tasern oder schwerer Gewalt aus seiner Zelle bekommen», so der Richter. Das wäre aber nicht verhältnismässig gewesen.
Richter redete sogar in der Zelle auf den Angeklagten ein
Höchstpersönlich fuhr sogar der Richter in den Knast und versuchte, «seinen» Angeklagten zu überreden, doch noch nach Zürich zu kommen. Ebenfalls ohne Erfolg. Daher habe man Brian «schweren Herzens» nachgegeben – und ihn nachträglich dispensiert.
Im Saal anwesend war dafür Brians Vater, der sich die Plädoyers ohne sichtbare Gefühlsregung anhörte. Einzig nach der Mittagspause liess er Galgenhumor aufblitzen: «Ich könnte jetzt einen Schluck Schnaps gebrauchen!» Wohl aus gutem Grund, denn die Liste der Anklagepunkte gegen seinen Sohn ist lang.
So soll sich Brian einer versuchten schweren Körperverletzung schuldig gemacht haben, als er auf einen Aufseher einprügelte. Der Kampfsportler habe sogar weitergeschlagen, als sein Opfer am Boden lag. Es sei nur nichts Schlimmeres passiert, weil im Nebenraum bereits ein Einsatzkommando wartete.
Verwüstungen, Schläge und Drohungen
Dazu habe der Intensivtäter mehrfach seine Zelle zerlegt, sorgte so für Zehntausende Franken Sachschaden. «Den muss der Steuerzahler tragen», fügte der Staatsanwalt an. Und ergänzte: «Brian terrorisiert Mitgefangene und Aufseher praktisch durchgehend, droht, spuckt, prügelt und wirft mit Urin.» Ganze 26 Seiten fasst die Anklageschrift. Alle Delikte passierten hinter Gittern. «Trotz Sicherheitsmassnahmen, wie sie die Schweiz noch nie gesehen hat», so der Staatsanwalt weiter.
Was in der Schweiz wohl ebenfalls ein Novum ist: Die Anklage will den jungen Schläger nach einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verwahrt sehen. Die Verwahrung sei «die einzige Lösung». Der Staatsanwalt offen: «Ja, es ist krass, einen 24-Jährigen zu verwahren. Aber in Freiheit würde er die Sicherheit der Bevölkerung gefährden. Dass er einen Menschen töten wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.»
Staatsanwalt bekam Hassbrief des Angeklagten
Der Staatsanwalt spricht aus Erfahrung, hat er die Wut des Angeklagten doch schon selbst zu spüren bekommen. Brian schrieb ihm einen Brief, der mit «Staatsanwalt du Hurensohn» beginnt. Und nach einer ganzen Reihe von Beleidigungen mit einer Todesdrohung endet. Sich selber bezeichnete Brian in seinem Schreiben als «Chef», «der Schönste», «Baba» oder «Boss».
Und auch das psychiatrische Gutachten zeichnet für den Schläger eine düstere Prognose. Der Angeklagte zeige psychopathische Züge, die Rückfallgefahr sei sehr hoch. Dazu leide er an Realitätsverlust, auch durch die lange Isolationshaft.
Der Verteidiger malte erwartungsgemäss ein ganz anderes Bild seines Klienten. «Brian bekam bereits so viel Härte zu spüren», so seine Kernaussage. Und: «Wenn man einen Hund so behandelt, dann beisst er eben.» Der Anwalt weiter: Seit August 2018 sitze sein Mandant immer wieder in Isolationshaft. Man serviere dem gläubigen Muslim Schweinefleisch, er habe gar auf nacktem Boden schlafen müssen. Seine Einschätzung zu den Haftbedingungen: Maximale Härte bringe nichts, führe nur zu umso heftigeren Gegenreaktionen. Mehr noch: Der Anwalt wittert eine Verschwörung von Gefängnispersonal und Mithäftlingen gegen den Angeklagten.
Verteidiger verweist auf die schwierige Kindheit seines Mandanten
Und überhaupt: Sein Klient habe schon im zarten Alter von zehn Jahren (weil er fälschlicherweise der Brandstiftung bezichtigt wurde) negative Erfahrungen mit Staat und Psychiatrie gemacht. Mehrfach sei er als Bub sediert und fixiert worden. «So produziert man Straftäter», argumentiert der Verteidiger in seinem Plädoyer. Er hofft auf Milde des Gerichts: Denn lasse man ihm seine Freiheiten, lerne man einen ganz anderen, ja freundlichen Brian kennen. Sein Urteilswunsch: Die Verwahrung sei abzulehnen. Ein mögliches Strafmass liess der Verteidiger offen.
Durch die Dispensierung des Angeklagten entfällt der heutige zweite Prozesstag. Das Urteil wird am 6. November eröffnet.
Der «Fall Carlos» sorgt seit 2013 für Schlagzeilen. Beim Namen Carlos handelte es sich um ein Pseudonym, das ihm von den Medien verliehen wurde. Weil sich der junge Intensivtäter in einem Beitrag der SRF-«Rundschau» erbeten hat, beim richtigen Vornamen genannt zu werden, kommt auch BLICK ab sofort seinem Wunsch nach. Aus Carlos wird Brian.
Der «Fall Carlos» sorgt seit 2013 für Schlagzeilen. Beim Namen Carlos handelte es sich um ein Pseudonym, das ihm von den Medien verliehen wurde. Weil sich der junge Intensivtäter in einem Beitrag der SRF-«Rundschau» erbeten hat, beim richtigen Vornamen genannt zu werden, kommt auch BLICK ab sofort seinem Wunsch nach. Aus Carlos wird Brian.