In Neuseeland zeigt die jüngste Premierministerin der Welt, was gute Staatsführung und feinfühliges Krisenmanagement sind. Schon kurz nachdem Rechtsterrorist Brenton Tarrant (28) am Freitag in Christchurch 50 Muslime erschossen hatte, war Jacinda Ardern (38) zur Stelle. Sie erkundigte sich nach dem Stand der Ermittlungen, informierte offen und vor allem: Sie kümmerte sich mit grossem Mitgefühl um die Angehörigen der Opfer – alles Muslime.
Mit einem schwarzen Kopftuch bekleidet, reichte sie den Trauernden die Hand und nahm sie in die Arme. Es war eine Bekundung des Respekts, des Mitgefühls und des Zeichens, dass Muslime zu dem Land gehörten, das sie als ihre neue Heimat gewählt haben. Ardern versprach ihnen, dass sie in Zukunft ohne Sorgen ihrem Glauben nachgehen könnten. Ihr Credo: «Neuseeland ist in Trauer vereint.»
Hauptsache zufrieden
Als die studierte Politologin, die Mitglied der Labour Partei ist, 2017 mit 37 Jahren zur Premierministerin gewählt wurde, begann sie umgehend, den Staat mit nur knapp 4,8 Millionen Einwohnern neu auszurichten. Die Tochter eines Polizisten und einer Kantinen-Mitarbeiterin, beide Mormonen, setzt sich für ein familienfreundliches Steuersystem, eine bessere Förderung ländlicher Regionen und Massnahmen für bezahlbares Wohnen ein. Ein wichtiges Anliegen ist ihr der Umweltschutz: Kurzerhand strich sie langjährige Bewilligungen für die Suche nach Ölvorkommen in den Hoheitsgewässern von Neuseeland.
Der Ärger der Wirtschaftsbosse ist ihr egal. Sie weigert sich sogar, den Wohlstand des Landes per Bruttoinlandsozialprodukt zu messen, sondern orientiert sich am Better Life Index. Sie übt eine Politik der «kindness», der Grossherzigkeit, und nennt ihren Finanzplan «Wellbeing-Budget». Ihr geht es schlicht darum, dass die Neuseeländer zufrieden sind.
Mit dem Baby zur Uno-Versammlung
Ardern ist nach der pakistanischen Premierministerin Benazir Bhutto (†54) die zweite Regierungschefin weltweit, die während der Amtszeit ein Kind bekam. Zwar kümmert sich hauptsächlich ihr Partner, Radio- und TV-Moderator Clarke Gayford (41), um die inzwischen neun Monate alte Neve. Immer wieder aber nimmt Ardern ihre Tochter zur Arbeit mit, so etwa im Herbst 2018 zur Uno-Vollversammlung in New York, wo in aller Eile ein Zutrittsausweis für das «First Baby» hervorgezaubert werden musste.
Beim Thema Familie gibt es die bisher einzige Kritik an Ardern: Um einen Tag länger bei der Familie zu sein, hatte die Premierministerin im Herbst 2018 für eine Konferenz auf der Insel Nauru einen Extraflug bei der Royal New Zealand Air Force gebucht: Kosten 35'000 bis 70'000 Franken.
Schärferes Waffenrecht angekündigt
Am Montag konnte Ardern einen weiteren politischen Erfolg verbuchen. Sie teilte mit, dass man sich nach dem Attentat grundsätzlich auf eine Verschärfung des Waffenrechts verständigt habe und in den nächsten Tagen konkrete Reformen vorstellen werde. Bislang hatte der nationalpopulistische Koalitionspartner New Zealand First, auf den Ardern zusammen mit den Grünen angewiesen ist, solche Überlegungen blockiert. Vize-Regierungschef Winston Peters (73) sagt nun jedoch: «Unsere Welt hat sich für immer geändert. Deshalb werden sich auch unsere Gesetze ändern.»
Jacinda Ardern hat der Labour Party einen Höhenflug beschert: Hatten unter dem früheren Parteipräsidenten Andrew Little (53) nur 24 Prozent der Wähler ihre Stimme der Partei gegeben, stieg der Zuspruch unter ihr auf fast das Doppelte. Für diesen Erfolg gibt es in Neuseeland auch einen Namen: Es herrscht Jacinda-Mania!