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Nach Syrien und Libyen jetzt noch Truppen in Berg-Karabach
Nun spielt Erdogan im Kaukasus mit dem Feuer

Im Kaukasus ist ein alter Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien wieder ausgebrochen. Was neu ist: Auch der türkische Präsident Erdogan mischt nun beim Streit um das Grenzgebiet Berg-Karabach mit.
Publiziert: 29.09.2020 um 23:14 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2022 um 09:23 Uhr
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Grobes Geschütz: Das Bild zeigt einen Angriff der Truppen von Aserbaidschan.
Foto: AFP
Guido Felder

In Berg-Karabach, einem Gebiet rund zehn Mal kleiner als die Schweiz, ist ein schon lange schwelender Konflikt nun in einen offenen Krieg ausgebrochen. Bei Gefechten im Grenzgebiet von Armenien und Aserbaidschan wurden seit Sonntag nach einer Offensive Aserbaidschans bis zu 120 armenische Soldaten getötet. Auch Zivilisten befinden sich laut dem Roten Kreuz auf beiden Seiten unter den Opfern.

Der Konflikt in diesem kleinen Flecken im Südkaukasus scheint auf den ersten Blick weit weg. Doch er sorgt weltweit für Entsetzen. EU-Ratspräsident Charles Michel (44) beobachtet die Kampfhandlungen mit «grösster Besorgnis».

Erdogan mischt mit

Unruhe herrscht, weil sich hinter den Konfliktparteien grosse Militärmächte gegenüberstehen. Eine davon ist einmal mehr die Türkei, die schon in Syrien, Libyen und beim Streit um die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer an vorderster Front mitmischt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) soll rund tausend Soldaten der Hamza-Brigade, mit der er in Syrien gegen Herrscher Baschar al-Assad (55), den IS und die Kurden kämpft, nach Aserbaidschan verlegt haben.

Blutige Dauerfehde

Die Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum islamisch-geprägten Aserbaidschan. Der Konflikt um die Region entbrannte nach dem Ende der Sowjetunion 1991, in der Berg-Karabach den Status einer autonomen Region der UdSSR innehatte. Schon 1992 brach zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Krieg um das Gebiet aus, in dem etwa 30'000 Menschen getötet und Hunderttausende Menschen vertrieben wurden. 2020 entflammte erneut ein Krieg, der mit Hilfe russischer Vermittlung nach sechs Wochen in einer Waffenruhe endete.

Die Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum islamisch-geprägten Aserbaidschan. Der Konflikt um die Region entbrannte nach dem Ende der Sowjetunion 1991, in der Berg-Karabach den Status einer autonomen Region der UdSSR innehatte. Schon 1992 brach zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Krieg um das Gebiet aus, in dem etwa 30'000 Menschen getötet und Hunderttausende Menschen vertrieben wurden. 2020 entflammte erneut ein Krieg, der mit Hilfe russischer Vermittlung nach sechs Wochen in einer Waffenruhe endete.

Aserbaidschan bestreitet diese Vorwürfe. Es beschuldigt das verfeindete Armenien, hinter dieser «Lügenkampagne» zu stecken.

Dass Erdogan Aserbaidschan tatkräftig unterstützt, steht spätestens seit Sommer fest, als die Türkei in Aserbaidschan eine Militärübung mit Kampfjets, Helikoptern und Artillerieeinheiten durchführte. Vermutlich befinden sich nach wie vor türkische Waffen und Kämpfer im Land. Gestern hiess es jedenfalls auch, dass ein türkischer Jet einen armenischen Jet abgeschossen habe.

Russland auf der Gegenseite

Erdogan spielt mit dem Feuer. Denn auf der Gegenseite steht, wie schon in Nordafrika, der mächtige Gegner Russland. Moskau agiert in Armenien bis 2044 als Schutzmacht und hat da rund 3500 Soldaten stationiert. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow (70) rief zu einer sofortigen Waffenruhe auf.

Erdogans provokatives Vorgehen hat mehrere Gründe. Es sind nicht nur die Pipelines, welche die Türkei mit Gas aus Aserbaidschan versorgen. Der türkische Präsident ist auf Expansionskurs, zudem kann er damit von seinen innenpolitischen Problemen ablenken. Denn das Thema Armenien ist in der Türkei aus historischen Gründen hochemotional. So wehrt sich die Türkei, die Massaker während der Zeit des Osmanischen Reichs an der armenischen Bevölkerung als Völkermord anzuerkennen.

Dass es Erdogan mit seinem Eingreifen in den Berg-Karabach-Konflikt ernst meint, unterstrich er mit einem Tweet: «Die Türkei wird Seite an Seite mit ihren aserbaidschanischen Brüdern stehen.»

Russland hat Gesprächsbereitschaft signalisiert, die Uno hat zu einer Krisensitzung aufgerufen. Man versucht zu verhindern, dass aus dem lokalen Brandherd ein noch grösseres Feuer wird.

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