US-Präsident Donald Trump (74) war schon immer als streitbare, kämpferische Person bekannt. Mit einem Auftritt im Briefing Room des Weissen Hauses liess er sich erstmals seit der Wahlnacht blicken - und setzte gleich neue Massstäbe bezüglich seiner umstrittenen Person. Trump sieht sich weiterhin als klarer Sieger der Wahl und als Opfer von Wahlbetrug. Dies, obschon Demokraten und Republikaner gemeinsam Stimmen auszählen. Dies, obschon Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden (77) ganz kurz davor steht, die notwendigen Stimmen von 270 Wahlmännern zu erreichen und nächster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden.
Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Weissen Haus am Donnerstagabend in Washington nahm Trump keine Fragen von Journalisten entgegen – und bei seinen Ausführungen nahm er es mit den Fakten noch ungenauer als in der Vergangenheit. Das Land sei von einer «roten Welle» der Republikaner überrollt worden. «Wenn man die legalen Stimmen zählt, gewinne ich mit Leichtigkeit». Doch mit später eingereichten Briefstimmen würden die Demokraten «mit illegalen Stimmen versuchen, uns die Wahl zu stehlen».
Trump erhebt schwere Vorwürfe. Der Ausgang der Wahl werde «konstruiert». Dieser «absichtliche» Betrug sei «beispiellos in der amerikanischen Geschichte». Wiederholt erwähnt er das Wort «Unterdrückung»: Umfragen und Stimmen für ihn seien systematisch unterdrückt worden. Trump malt an diesem Abend eine grandiose Verschwörung gegen sich an die Wand. Und Amerika droht eine Verfassungskrise.
«Sie warten ab, wie viele Stimmen sie brauchen»
«Briefwahlen sind ein korruptes System», so Trump weiter. «Sie warten ab, wie viele Stimmen sie brauchen. Es ist erstaunlich, wie einseitig diese Briefwahlzettel sind.»
In der Wahlnacht habe er klar geführt, jetzt werde alles heruntergedrückt – einen Umstand, den übrigens auch «CNN» hervorhob. Diese anfänglich starke Führung und dann der Einbruch seien «ungewöhnlich», so Starmoderator John King. Doch diese Wahl sei aufgrund der Coronavirus-Pandemie anders. Noch nie zuvor haben so viele Amerikaner per Briefwahl abgestimmt. Und genau diese Stimmzettel werden jetzt noch ausgezählt – sie gehen in den meisten Fällen auf das Konto von Joe Biden.
Trump wird kämpfen, das macht er am Donnerstagabend klar: «Unser Ziel ist es, die Integrität der Wahl zu verteidigen. Wir werden nicht zulassen, dass sie gestohlen wird.» Es werde «eine Menge Klagen geben», so der Noch-Präsident: «Letztlich werden meiner Meinung nach die Richter entscheiden müssen.»
Trumps toben, Partei distanziert sich
Vor der Pressekonferenz veröffentlichte Trump noch einen Alarmruf auf Twitter, während sich die Reihen seiner Getreuen zu lichten scheinen. «Stoppt den Betrug!», schrieb er in Grossbuchstaben – ein Verzweiflungsschrei, der selbst in den eigenen Parteireihen auf taube Ohren zu stossen scheint.
Trump tobt, die eigene Partei schwieg zunächst. Nirgendwo aus eigenen Parteireihen ist von Betrugsvorwürfen zum Wahlprozess zu hören, wie Trump sie äussert. Die Parteioberen der Republikaner blieben stumm, während Trump Amok zu laufen beginnt. Nach der Pressekonferenz des Präsidenten wird aber auch scharfe Kritik von Parteimitgliedern laut. «Es gibt keine Rechtfertigung für die Äusserungen des Präsidenten heute Abend, die unseren demokratischen Prozess untergraben», schrieb der republikanische Gouverneur von Maryland, Larry Hogan (64), auf Twitter.
Der republikanische Kongressabgeordnete Adam Kinzinger (42) forderte, für Betrugsvorwürfe Beweise vorzulegen und sie vor Gericht zu präsentieren. «Hören Sie auf, entlarvte Falschinformationen zu verbreiten... Das wird langsam verrückt», schrieb er auf Twitter.
Trump selber sei «immer nervöser», meldete «CNN» zuvor unter Berufung auf anonyme Quellen im Weissen Haus, während sich seine Söhne in die Schlammschlacht einmischen. Sohn Eric (36) fährt der eigenen Partei scharf an den Karren. «Wo sind die Republikaner!», empört sich der Trump-Sohn auf Twitter. «Zeigt Rückgrat. Kämpft gegen diesen Betrug. Unsere Wähler werdet euch nie vergessen, wenn ihr Schafe seid.»
Trumps ältester Sohn Donald Junior (42) ging bei der Sprachwahl noch einige Schritte weiter – unfähig, seinen Zorn im Zaum zu halten. Er rief auf Twitter «zum totalen Krieg um diese Wahl» auf. Amerika, so Donald Junior, drohe zur «Bananenrepublik» zu werden.