Vitus Huonder (1942–2024) geht seinen letzten Gang. Der frühere Bischof von Chur wird in Ecône VS bei den Piusbrüdern beerdigt. Die Kirche ist voll. Die Frauen tragen lange Röcke und einen Schleier, die Männer Anzug. Die Messe ist auf Latein, beim Hochgebet steht der Priester mit dem Rücken zum Volk. Die Piusbrüder feiern das Requiem für Huonder, der nach Ostern an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist. Über 600 Menschen sind ins Wallis gekommen.
Spaltung mit Rom
Die Piusbrüder sind eine erzkonservative Gruppierung, die sich von der katholischen Kirche abgespalten hat. Ecône VS ist längst zu einem Pilgerort einer Kirche geworden, wie sie Papst Franziskus ablehnt: Die Kirche dürfe kein Museum sein, in der alles konserviert werde, mahnt der Pontifex immer wieder. Ecône steht für das Gegenteil.
In Ecône liegt Marcel Lefebvre (1905–1991) begraben, der Gründer der Piusbrüder. Der französische Erzbischof wurde zum Anführer katholischer Traditionalisten. Er suchte im Wallis einen stillen Ort, wo er ein Priesterseminar eröffnen könne, um die – in seinen Augen – wahre katholische Religion zu lehren. Die Gebäude in Ecône gehörten früher den Chorherren vom Grossen St. Bernhard. Sie betrieben hier eine landwirtschaftliche Schule.
«Sie verkauften die Gebäude an Lefebvre in gutem Glauben, denn damals war noch nicht von einer Spaltung mit Rom die Rede», sagt der Sprecher des Bistums Sitten, Paul Martone (63), zu Blick. «Lefebvre hat alle getäuscht.» Wo einst Bauern die Schulbank drückten, studieren nun angehende Priester.
Zurück zur Religion seiner Kindheit
Bis zu seiner Pensionierung 2019 war Vitus Huonder Bischof von Chur. Eigentlich werden die Würdenträger vor der Kathedrale in Chur begraben. Doch Huonder wollte an der Seite Lefebvres seine letzte Ruhe finden. Schon als Altersruhesitz hatte er das Knabeninstitut Sancta Maria in Wangs SG gewählt – eine von den Piusbrüdern betriebene Privatschule. Die Knaben haben am Mittwoch schulfrei bekommen und reisten in Cars zum Requiem ins Wallis.
Für die römisch-katholische Kirche ist Huonders letzter Wille ein Affront. Der ehemalige Chef der Piusbrüder, Bischof Bernard Fellay (66), verteidigt Huonders Entscheidung: Bei den Piusbrüdern habe er «die Religion seiner Kindheit» gefunden.
Homophobe Kommentare
Huonder hinterlässt dem Bistum Chur ein schwieriges Erbe. Er hat viele konservative Priester geweiht – zum Teil gegen den Rat der Verantwortlichen im Priesterseminar. Mit homophoben Aussagen und dem Verbot, schwule und lesbische Paare zu segnen, wurde Huonder zum umstrittensten Bischof der Schweiz. Wegen Anfeindungen verstärkte Huonder den Bischofssitz in Chur mit Panzerglas. Ein Gutachten der Uni Zürich wirft Huonder vor, Missbrauchsakten geschreddert zu haben.
Zu den prominenten Gästen der Abdankung zählt der amtierende Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (75). Ein heikler Termin, denn die Piusbrüder haben mit Rom gebrochen. Doch Bonnemain ist es wichtig, der Beerdigung beizuwohnen: Es sei höchste Zeit, die «alten Verletzungen und Spannungen im Bistum Chur hinter uns zu lassen und einen Schritt aufeinander zuzugehen», teilt Bonnemain mit. «Wenn wir in der katholischen Kirche nicht bereit sind, so zu handeln, können wir nicht mehr glaubwürdig über Versöhnung, Frieden und Geschwisterlichkeit sprechen.»
Churer Bischof geht auf Distanz
Trotzdem grenzt sich der amtierende Bischof von Chur ab. Bonnemain erscheint nicht in Soutane und mit violettem Käppi, sondern im zivilen Anzug. Und er geht nicht zur Kommunion, denn es gibt keine Einheit zwischen den Piusbrüdern und Rom.
Zu seinem Amtsbeginn 2021 sagte Bonnemain: «Unser Bistum ist krank und braucht eine Therapie.» Die Therapie im Bistum Chur dauert nach wie vor an. Mit einer kritischen Auseinandersetzung von Huonders schwierigem Erbe dürfte die Genesung des Bistums voranschreiten.