Unten grau, oben blau: Jede Bergsteigerin, jeder Wanderer weiss die Kraft der Berge zu schätzen. Gerade, wenn draussen die Kälte klirrt. Just dann laufen alpine Solaranlagen zur Hochform auf. Den besten Wirkungsgrad haben sie nicht im Sommer, sondern im Winter, wenn Schnee die Sonne reflektiert. Das neblige Mittelland kann dann einpacken.
Doch statt 600 Gigawattstunden wird das ambitionierte Projekt Grengiols-Solar im Oberwallis nun auf 110 Gigawattstunden gestutzt. «Wir planen, was realisierbar ist», sagt der Betreiber.
Dass Grossprojekte sich verzögern, ist nichts Neues. Und die Solar-Leute können nichts für das, was Politik und Gesellschaft verschlafen haben. Solarenergie im Winter war schon vor Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wichtig.
Dennoch ist die Verkleinerung von Grengiols-Solar ärgerlich. Wo sonst, wenn nicht in der reichen Schweiz, sollte ein grosser Wurf auch mal im Schnellverfahren gelingen? Wo bleibt der Energie-Wumms, den wir so dringend brauchen? Erst gestern beerdigten Hilfswerke symbolisch den Morteratschgletscher. In Afrika wie in den Alpen macht sich der Klimawandel mit gravierenden Folgen bemerkbar.
Der Fall Grengiols zeigt, dass das Lager der Zauderer und Alpenromantiker grösser ist, als man denkt. Gerade der Mythos Alpen elektrisiert Landschaftsfreunde unterschiedlicher Art, die politisch wenig gemein haben – von den Grünen bis zur SVP.
Drei Beispiele, ebenfalls aus dem Wallis: Die überparteiliche Interessengemeinschaft, die gegen das ambitionierte Solarprojekt Sturm lief, stellte dem SVP-Kampfblatt «Stromfresser-Gesetz Nein» eine Fotomontage voller Solarpanels zur Verfügung – und unterstützt damit die grössten Gegner des wichtigen Klimaschutzgesetzes am 18. Juni.
Die Interessengemeinschaft ist sich auch nicht zu schade, auf ihrer Website prominent ein Video der Fluggesellschaft Swiss zu zeigen, das die Schönheit der Alpen unterstreichen soll – klassischer Fall von Greenwashing durch ein Unternehmen mit besonders problematischer CO2-Bilanz.
Schliesslich ergriffen ausgerechnet die Walliser Grünen das Referendum gegen den schnellen Bau von Solarparks. Dabei läuft dem Kampf gegen die Erderwärmung die Zeit davon.
Beim Klimaschutz müssen alle ihre Komfortzone verlassen und Kompromisse eingehen. Egal, ob es ums Wohnen in den Städten, ums Fliegen oder um den Landschaftsschutz geht. Anders ist der Energie-Wumms nicht zu wuppen.