Thüringen steckt im Dilemma. Die AfD wurde bei der Landtagswahl in diesem östlichen Bundesland stärkste Kraft, aber keine Partei will mit ihr koalieren. Dadurch gerät eine hoffnungsfrohe These erneut in den Vordergrund der Berichterstattung: Die Rechtsextremen sollen durch Beteiligung an der Regierung «entzaubert» werden. Müsse die AfD um Strippenzieher Björn Höcke erst Verantwortung übernehmen, werde sie sich schon selbst entlarven.
Der gut gemeinte Ratschlag ist nicht nur naiv, er ist geradezu gefährlich. Die These blendet aus, was es konkret bedeuten würde, wenn die AfD an die Macht kommt: Abbau der Grundrechte, rassistische Diskriminierung, Aushöhlung der Institutionen – und damit der Demokratie.
Normalisierung des Unsagbaren
Macht macht mächtig. Höcke hat nie verheimlicht, dass er die Regierungsinstrumente für sein radikales Programm nutzen würde. Gewählte Rechtsextremisten arbeiten mit dem Recht, nicht gegen das Recht. Wie schnell eine Demokratie mit legalen Mitteln untergraben werden kann, zeigen Polen und Ungarn.
Eine AfD-Regierung würde Unsagbares normalisieren. Zum Beispiel Nazi-Parolen, für die Höcke in den letzten Monaten mehrfach verurteilt wurde.
Die meisten Politwissenschaftler sind sich einig, dass eine Strategie der «Entzauberung» nur schwer funktionieren würde. Den meisten, die der AfD ihre Stimme geben, sei bewusst, dass sie inhaltlich kaum etwas zu bieten hat. Viele Wähler erwarten gar nicht, dass die Rechtsextremisten ihre Probleme lösen.
Demokraten sollten sich vor dem Glauben hüten, dass Feinde der Demokratie, deren Macht auf Hass und Hetze baut, plötzlich moderater werden – und bereit wären, die Spielregeln der Verfassung einzuhalten.