Marc Walder, CEO Ringier AG, über die heikle Schweizer Corona-Strategie
Der Bundesrat und das Risiko

Ab Oktober sind wieder Grossveranstaltungen mit über 1000 Personen möglich. Der Kommentar von Ringier-CEO Marc Walder.
Publiziert: 05.09.2020 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2020 um 09:25 Uhr
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Marc Walder, CEO Ringier AG.
Foto: Thomas Buchwalder
Marc Walder

Die Corona-Fälle steigen und steigen. Tag für Tag. Überall. Wir waren zu wenig diszipliniert über den Sommer. Zu viele dachten, wir seien durch.

Israel, ein Beispiel, war ein globales Vorbild. Kaum Infektionen im Frühling. Dann machte Israel zehn Wochen Party – und muss nun in 30 Städten wieder in den Lockdown. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen der israelischen Sommerparty? Dramatisch.

Was ist Aufgabe der Politik in dieser historischen Krise? Alles tun, damit es nicht nochmals zu einem Lockdown kommt.

Was erneut heissen würde: Schulen zu, Läden zu, Restaurants zu, Büros zu, Grenzen zu. Alles zu. Was heissen würde: noch grössere wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden, die uns noch mehr Jahre – teilweise existenziell – beschäftigen werden.

Die Politik muss alles unternehmen, diesen Schaden möglichst begrenzt zu halten. Die Politik hat dafür zu sorgen, dass die Schwachen und Gefährdeten geschützt werden. Dass medizinische Infrastruktur nicht überfordert wird.

Und was macht die Schweiz? Sie öffnet die Fussball- und Eishockeystadien für die Fans. Natürlich nicht nur Fussball und Eishockey – grosse Veranstaltungen generell.

Damit riskiert der Bundesrat ein exponentielles Wachstum der Infektionsrate. Denn die Geschichte ist einfach: je mehr Interaktionen zwischen Menschen, desto mehr Infektionen. Zumal in geschlossenen Räumen, in Eishockeystadien, wo gesungen und gerufen wird.

Der Bundesrat geht damit das Risiko eines erneuten, gigantischen Schadens für uns alle ein. Wir dürfen ruhig festhalten: Dies ist eine Risikostrategie. Einzigartig in Europa.

Die Gefahr, konkret: Läden wieder zu, Schulen wieder zu, Büros wieder zu, Grenzen wieder zu. Alles wieder zu. Und die Spitäler voll. Und das alles wegen Fussball und Eishockey, um beim Bild zu bleiben.

Hier könnten diese Gedanken zu Ende sein. Doch viele von uns anerkennen den gesellschaftlichen Wert von Fussball und Eishockey, von Sport und Kultur generell. Durchaus zu Recht.

Die Klubs wollten öffnen, für sie geht es ums Überleben. Die Kantone wiederum wollten die politische Macht zurück. Beide haben ihr Ziel erreicht. Doch ein «Es läuft okay, wir haben es im Griff» wird nicht reichen. Hinten und vorne nicht.

Die Fussball- und Eishockeyklubs sind nun gefordert wie nie zuvor. Alle anderen Veranstalter selbstredend auch. Die Kantone sowieso. Und jeder Einzelne, der an versammlungsintensive Veranstaltungen geht, erst recht.

Die Infektionsketten müssen verfolgt werden. Die Infizierten müssen isoliert werden. Schnell, präzise, konsequent. Wie soll das bei diesen Massen gehen? Ich habe kein gutes Gefühl.

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