Val McDermid (69) ist eine Institution. Die schottische Grande Dame – oder vielleicht besser Grand ol' Lady – des Krimis hat rund 20 Millionen Bücher verkauft und gleich mehrere träfe Ermittlerinnen und Krimireihen geschaffen. Zwei davon wurden als TV-Serien verfilmt, eine unter dem Namen «The Wire in the Blood», die neuste unter dem Namen «Karen Pirie». Vergangenes Jahr war die erste Staffel im ZDF zu sehen, die zweite Staffel soll im Vereinigten Königreich diesen Herbst ausgestrahlt werden und später auch bei uns.
Aktuell ist nun aber der siebte Fall der Edinburgher Ermittlerin Pirie erschienen. Sie, spezialisiert auf sogenannte Cold Cases, also ungelöste Fälle aus der Vergangenheit, sitzt während der Pandemie im Lockdown fest – der war im Vereinigten Königreich viel härter als bei uns. Da kommt der Anruf einer Archivarin der Nationalbibliothek gerade recht: Sie hat im Nachlass eines verstorbenen, umstrittenen Schriftstellers ein Manuskriptfragment gefunden, das auffällige Parallelen zum Fall einer verschwundenen jungen Frau zeigt.
Plot na ja, Kolorit okay
McDermid scheint mit dem aktuellen Fall altersmilde oder vielleicht sogar müde geworden zu sein. Dass man den bald schon sehr absehbaren Buch-im-Buch-Plot trotzdem fertig liest, liegt am Lokalkolorit, den Figuren und am manchmal (selten) aufblitzenden Humor. Trotz des enttäuschenden neuen Falls ist Val McDermid als Sommer-Krimi-Lektüre stets ein Tipp – wenn man in die Vergangenheit blickt. Mit den sechs vorhergehenden Karen-Pirie-Fällen gibts auch genug Spannung – einfach von vorne anfangen und die Serie nach sechs Fällen als beendet betrachten. Oder gleich mit der «Carol Jordan und Tony Hill»-Serie anfangen.
Val McDermid: «Die Gabe der Lüge», Droemer, 480 Seiten, ab ca. 26 Franken