Stellen Sie sich vor, Sie fühlen sich wie Rumpelstilzchen. Sie kommen nie zur Ruhe, betreiben Multitasking und verlieren sich in Tagträumen. Sie senden Mails an falsche Empfänger und entkommen Kollisionen mit dem Tram nur knapp.
Sie brauchen oft vier Anläufe, um Kaffee zu kochen – jeder Impuls kann den vorangehenden auslöschen. Sie brennen für vieles, doch jede Zusatzaufgabe bringt Sie näher ans Limit. Gegen das Chaos im Kopf schreiben Sie Post-its und To-do-Listen, kennen zig charmante Ausreden für Ihr verzetteltes Sein.
Und irgendwann stehen Sie am Rande der Erschöpfung. ADHS wird von Aussenstehenden oft als Modediagnose taxiert, an der jeder «ein bisschen leidet». Man müsse sich halt etwas mehr anstrengen. Ritalin halten sie für eine Ruhigstelldroge. Doch das ist Unfug. Den Betroffenen mangelt es nicht an Willenskraft, sondern – vor allem – an Dopamin. Medikamente normalisieren schlicht den Stoffwechsel. In manchen Situationen und kreativen Jobs kann ADHS wie eine Wunderwaffe wirken. Doch die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Menschen mit dem Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom sind unter anderem anfälliger für toxische Beziehungen und psychische Krankheiten bis hin zur Selbstmordgefahr – und sie haben tiefere Löhne.
Frauen mit ADHS erhalten oft jahrzehntelang keine Hilfe. Deshalb wäre es das Mindeste, wenn sie sich wenigstens nach der Diagnose nicht noch gegen Vorurteile wehren müssten.