Zimt, Muskat, Nelken und Ingwer – der Advent ist eine duftintensive Zeit. Auf öffentlichen Weihnachtsmärkten oder in privaten Küchen konkurrenzieren sich Gerüche geradezu: Draussen sind es Duftkerzen oder Glühwein, drinnen Zimtsterne aus dem Ofen oder mit Nelken bespickte Orangen. All diesen Düften ist eines gemein: Sie kommen ursprünglich aus fernen, warmen Ländern und sollen uns den ansonsten geruchsarmen Winter ein wenig schmackhafter machen.
«Nelken verbinden viele von uns mit Weihnachten», schreibt der norwegische Journalist und Autor Thomas Reinertsen Berg (52) in seinem unlängst auf Deutsch erschienenen, reich bebilderten Prachtband über Herkunft und Handel von Gewürzen. Er führt die Verbindung zurück auf den Brauch aus nordeuropäischen Ländern, Anfang Dezember 24 Nelkenköpfchen in eine Orange zu stecken – täglich zieht man eine heraus, um abzählen zu können, wie lange es noch bis Heiligabend geht.
«Die Tradition dieses ‹Adventskalenders› ist jedoch viele Jahrhunderte alt und hat gar nichts mit Weihnachten zu tun», so der Autor. Sie stamme aus der Zeit, in der man in Europa glaubte, eine mit Nelken gespickte und an die Zimmerdecke gehängte Zitrusfrucht reinige die Luft so gut, dass man vor der gefürchteten Pest geschützt sei. Reinertsen Berg: «Im 16. Jahrhundert hingen mit Nelken gespickte Apfelsinen in den Fenstern der Menschen, die sich diesen Luxus leisten konnten.»
Denn Nelken und Co. waren lange ein teures Gut. «Gewürze waren Statussymbole wie Edelsteine, Glas oder kostbare Stoffe», schreibt Reinertsen Berg. Entsprechend schickten die europäischen Kolonialmächte Schiffe los, auf dass sie fein Duftendes nach Hause bringen. «Keine andere Handelsware hat so sehr dazu beigetragen, Ost und West, Süd und Nord zu verbinden, wie die Gewürze.» Ingwer, Zimt, Kardamom, Muskat, Nelken und Pfeffer erwiesen sich in der Weltgeschichte als besonders bedeutungsvoll.
Doch weshalb eigentlich? Das sind allesamt keine spektakulären Dinge: Ingwer sind bloss Wurzeln, Zimt Baumrinden, Kardamom Samen, Muskat Kerne, Nelken Knospen und Pfeffer Beeren. Doch neben dem erwähnten Zeichen für Wohlstand hat man ihnen erotische, medizinische und religiöse Eigenschaften zugeschrieben. «Gewürze galten als heilig, seit Gott Moses darum gebeten hatte, Zimt und Kassie im Feuer als Duftopfer darzubringen», schreibt Reinertsen Berg.
«Gott hat keine Nasenlöcher», kritisierte bereits der christliche Prediger Johannes Chrysostomos (349–407). Und in der säkularen Gegenwart sind Gewürze dem heiligen Hokuspokus noch weiter enthoben und stehen heute profan in der Küche zum Aufpeppen von Gerichten. «Doch», so Reinertsen Berg, «sie bringen noch immer den Duft und Geschmack südlicher Breitengrade auf Tische der nördlichen Hemisphäre.»
«Die Geschichte der Gewürze – Genuss, Gier und Globalisierung», Haupt.
«Die Geschichte der Gewürze – Genuss, Gier und Globalisierung», Haupt.