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Wie sich der Mensch an die Spitze der Nahrungskette kochte

Einst der Letzte in der Nahrungskette, kochte sich der Mensch an die Spitze: Der ursprüngliche Fleischesser setzte sich erst mit dem Getreideanbau von der Konkurrenz ab.
Publiziert: 30.05.2023 um 09:31 Uhr
Bringt die Küche wieder zurück zu ihren Wurzeln: «Noma»-Chefkoch René Redzepi in Kopenhagen.
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Crevetten-Avocado-Cocktail zur Vorspeise, als Hauptgang ein Filet im Teig und flambierte Ananas-Scheiben mit Vanille-Glacé zum Nachtisch – das war in meiner Kindheit ein Festessen bei uns zu Hause. In den 1970er-Jahren sind das wurmartige Meeresgetier und die grüne Butterfrucht noch aufregend exotisch. Und beim Dessert kann meine Mutter zur Feuerattraktion ihre blitzblanke Kupferpfanne zum Einsatz bringen.

«Zwei Dinge braucht es für eine Küche: eine Hitzequelle und Geräte, mit denen man zerkleinern und zubereiten kann», schreibt die deutsche Schriftstellerin Uta Seeburg (42) in ihrem kürzlich erschienenen, kurzweiligen Buch, mit dem sie uns «in 50 Gerichten durch die Geschichte der Menschheit» führt. Sie zeigt, wie sich der Mensch, «jenes wenig vielversprechende Geschöpf», an die Spitze der Nahrungskette kocht.

Denn zu Beginn hocken die Kerls angsterfüllt in den Büschen und warten, bis das letzte Raubtier vom Kadaver ablässt. Jetzt können sie sich über die abgenagten Knochen hermachen, mit einem Faustkeil aufbrechen und das Mark rausschlürfen – dazu ist kein Tier fähig. «Diese Menschen entwickeln sich zu extrem erfolgreichen Jägern, deren unbekümmerte carnophile Einstellung vermutlich dafür sorgte, dass die Spezies der Mammuts, Hirschelche und Riesenfaultiere aussterben», so Seeburg.

Zuerst kommt das Fleisch, dann das Brot: Erst nachdem sich der Mensch nomadenhaft der Jagd und dem Sammeln hingegeben hat, wird er sesshaft und widmet sich dem Ackerbau. Das erweist sich als Wettbewerbsvorteil gegenüber Raubtieren, mit denen er um Fleisch konkurriert. Seeburg: «Er verlegt sich auf solche Nahrungsmittel wie Getreide, die roh ungeniessbar sind und erst weiterverarbeitet werden müssen, bevor man etwas Essbares daraus zaubern kann.»

Das gelingt ihm in der Jungsteinzeit mehr schlecht als recht: «Das Brot ist fertig, es sind flache, harte Fladen.» Und das nach dem mühevollen Anbau des Getreides und dessen Ernte. «Und so sinkt der Mensch nach etwa fünfunddreissig Jahren auf dieser Erde ins Grab», schreibt die Autorin. «Er hat sein Leben lang hart gearbeitet und nicht besonders gut gegessen.» Und doch sei das er Anfang von allem, was wir heute seien.

Von einem der ersten niedergeschriebenen Rezepte aus Babylon über die Erfindung der Sauce in Frankreich um 1651 bis zur Molekularküche in Spanien um 1995 spannt Seeburg ihren Erzählbogen. Und gegen Ende gehts ins «Noma» in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, dem fünfmal im 21. Jahrhundert zum besten Restaurant der Welt gekürten Gourmettempel von Chefkoch René Redzepi (45).

«Nachdem die Molekularküche das Essen dekonstruiert und ausgehöhlt hat, immer mit dem Ziel, die Natur zu übertreffen», schreibt Seeburg, «nimmt Redzepis Küche die Gegenposition ein: Sie überhöht das einzelne Produkt, glorifiziert die Lauchstange, erhebt das Gras von der Wiese zum Kult.» Zurück zu den Wurzeln – das ist Redzepis Rezept.

Uta Seeburg

«Wie isst man ein Mammut? In 50 Gerichten durch die Geschichte der Menschheit», Dumont.

«Wie isst man ein Mammut? In 50 Gerichten durch die Geschichte der Menschheit», Dumont.


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