Das Verhältnis zwischen Köln und Düsseldorf ist etwa so wie zwischen Zürich und Basel bei uns – nur dass der Abstand der deutschen Städte halb so lang ist, die Abneigung dafür doppelt so gross. Und trotzdem verband ich in meiner Jugend die Liebe zu einer kölschen Band und einem Düsseldorfer Musiker: zu BAP und zu Marius Müller-Westernhagen (74) – sein 1978 erschienenes Album «Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz» lief bei mir im Teenager-Zimmer laut und lauter.
«Mit seinem neusten Album, das er wie den Song ‹Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz› nennt, hat Marius Müller-Westernhagen seinen Stil gefunden», schreibt der Hamburger Schriftsteller Friedrich Dönhoff (55) in seinem eben erschienenen Porträtband über den Rheinrocker. Mittels mehrerer persönlicher Treffen schafft Dönhoff eine scharfe Nahaufnahme des distanziert wirkenden Musikers und Schauspielers. Man erkennt Details aus dem Leben von Müller-Westernhagen wie nie zuvor.
Etwa die Anekdote aus der Kindheit: Da sein Vater Hans Müller-Westernhagen (1918–1963) neben Gustaf Gründgens (1899–1963) der grosse Star am Düsseldorfer Schauspielhaus ist, kommen immer wieder Theaterschaffende zu den Müller-Westernhagens nach Hause – im Oktober 1957 die grosse Wiener Mimin Hilde Krahl (1917–1999). Der zehnjährige Marius verliebt sich Hals über Kopf in sie, passt ihr auf der Strasse ab und erhält von ihr ein Buch mit der Widmung: «Für den lieben Marius von Deiner Freundin Hilde.»
Der kriegsversehrte und alkoholsüchtige Vater meldet Marius später beim «Ort des Grauens» Gymnasium ab, sodass der Junge ohne Ausbildung und bald ohne Vater dasteht. Da der Sohn auch mit theatralem Talent gesegnet ist, schickt ihn die Mutter in eine Schauspielschule. Daneben entdeckt der frühere Fussballfan seine Liebe zur Musik und lernt das Gitarrenspiel. Später lebt Müller-Westernhagen zusammen mit Otto Waalkes (74), Udo Lindenberg (76) und der legendären Hamburger WG «Villa Kunterbunt». Die Deutsch-Rock-Phase beginnt.
Der «dürre Hering» – zeitweise 54 Kilogramm schwer bei einer Grösse von 1,82 Meter – hat aus Scham über seinen schmächtigen Körper nie schwimmen gelernt. Heute hat der Rockstar einen Pool, um am Beckenrand sitzend mit den Füssen darin zu planschen. In seinen Liedern und Filmen schwimmt er allerdings immer wieder engagiert und gewandt gegen den Strom – etwa mit dem satirischen Song «Dicke» (1978) oder dem Roadmovie «Theo gegen den Rest der Welt» (1980).
«Nach dem grossen Durchbruch im Herbst 1980 mit seiner Tournee und dem Kino-Supererfolg von ‹Theo gegen den Rest der Welt› ging es mit Marius Müller-Westernhagens Karriere kontinuierlich bergauf», schreibt Dönhoff. Bis heute hat Müller-Westernhagen 27 Alben und über 250 Songs herausgebracht – darunter die Stadionhymnen «Lass uns leben» (1983) und «Freiheit» (1987): «Alle, die von Freiheit träumen / Sollen's Feiern nicht versäumen / Sollen tanzen auch auf Gräbern / Freiheit, Freiheit / Ist das Einzige, was zählt.»
Friedrich Dönhoff, «Marius Müller-Westernhagen – ein Portrait», Diogenes