Trunken schöne Hügellandschaften voller sattgrüner Büsche: Selten sah ich lieblichere Gegenden als die Teeanbaugebiete in Sri Lanka. Tea Garden nennen die benachbarten Inder solche Plantagen, und tatsächlich wähnte ich mich damals im Garten Eden. Nach einer Wanderung vorbei an Pflückerinnen ging es in eine Teefabrik. Zuvor wusste ich nicht, dass ein so natürliches Produkt aus einer Fabrik kommt. Vom Teegarten in die Fabrik – der begriffliche Gegensatz könnte grösser nicht sein.
«Die Teewirtschaft ist heute das ökonomische Rückgrat Sri Lankas», schreibt der deutsche Tee-Sommelier Peter Rohrsen (80) in seinem frisch aufgegossenen Buch. «Die kleine Insel, etwa so gross wie Bayern, exportiert mit rund 300'000 Tonnen mehr Tee als das riesige Indien.» Dort liegen die beiden weltberühmten Anbaugebiete Assam und Darjeeling. Indien mag vielleicht weniger exportieren, produziert aber weit mehr (1,26 Millionen Tonnen) und ist damit hinter China (2,74 Millionen Tonnen) weltweit zweitgrösster Teehersteller.
Hat Tee in Asien eine lange Tradition, so ist das Wort erst seit dem 18. Jahrhundert im deutschen Sprachgebrauch. Eine lange Geschichte hat aber ein Irrtum, so Rohrsen: «Es gibt keine weissen, grünen und schwarzen Teepflanzen.» Jede Teeart komme aus denselben grünen Blättern der Camellia sinensis, einer ursprünglich chinesischen Kamelienart. «Die Farben ergeben sich allein aus der unterschiedlichen Verarbeitung der geernteten Blätter», schreibt der frühere Dozent für englische Kulturgeschichte an der Universität Göttingen (D).
Während die Blätter beim weissen Tee bloss behutsam trocknen, erhitzt man sie für grünen Tee kurz über 70 Grad Celsius, und Schwarztee kommt aus der Fabrik. «Die nach dem Welken geschmeidigen Teeblätter werden nun – im Unterschied zum Grüntee ohne vorherige Erhitzung – gerollt zwischen den Metallplatten der Rollmaschine», schreibt Rohrsen. Die Blätter brechen, Zellstoff tritt aus, oxidiert. «Zum Abbruch der Oxidation wird der Tee etwa 20 Minuten lang getrocknet», so Rohrsen weiter. Der Tee durchläuft dazu einen Heisslufttrockner auf einem Fliessband – eine Fabrik eben.
Wir erfahren in diesem faszinierenden Buch nicht nur alles über Herkunft und Produktion, sondern auch über Zubereitung und Wirkung. Der Tee-Sommelier dazu: «Seit es Tee gibt, werden ihm wohltuende und gesundheitsfördernde Wirkungen auf den menschlichen Organismus zugeschrieben.» In Europa stand er deshalb seit 1650 in den Apothekerverordnungen. Rohrsen: «Als gesichert gilt, dass Tee durch seinen hohen Fluoridgehalt (…) zur Kariesprävention beitragen kann.» Also: abends einen Schwarztee statt weisse Zahnpasta.
Peter Rohrsen, «Das Buch zum Tee – Sorten, Kulturen, Handel», C. H. Beck