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Der Mann, der das Grandhotel Giessbach baute

«Nichts lag ihm ferner, als am Alten zu kleben», schrieb der Berner «Bund» 1922 in einem Nachruf auf den Architekten Horace Edouard Davinet. «Und doch machte er sich über alles Moderne lustig.» Eine meisterhafte Monografie über einen, der neu baute, um alt auszusehen.
Publiziert: 15.06.2021 um 08:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2021 um 13:28 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Es ist ein Coup! Die «Berner Zeitung» titelt: «Franz Weber kauft das Giessbach-Hotel». Das war am 18. November 1983. Nachdem das Grandhotel hoch über dem Brienzersee 1979 seine Pforten geschlossen hatte, sollte es einem modernen Betonbau weichen. Der Schweizer Umweltaktivist Weber (1927–2019) verhinderte mit seiner Vereinigung «Helvetia Nostra» und der von ihm gegründeten Stiftung «Giessbach dem Schweizervolk» den Abriss des neobarocken Gebäudes von Architekt Horace Edouard Davinet (1839–1922) aus dem Jahr 1875.

Aus demselben Jahr stammte das Grandhotel Schreiber auf der Rigi Kulm. Doch diesem Prachtbau ging es bereits 1954 an den Kragen: Mit Schoggitaler-Geldern und dem Schlachtruf «Säuberung des Rigi-Gipfels» sorgte ausgerechnet der Schweizer Heimatschutz für den Abbruch. «Davinet, der seine Karriere hauptsächlich Hotelbauten verdankte, geriet nach seinem Tod 1922 in Vergessenheit, sein Werk in Verruf», schreibt die Kunsthistorikerin Alexandra Ecclesia (30) in ihrer eben erschienenen monumentalen Monografie über den französisch-schweizerischen Architekten.

«Ab den 1990er-Jahren fand Davinets Architekturwerk zunehmend Anerkennung», schreibt Ecclesia, die seit 2018 für die Denkmalpflege der Stadt Lausanne VD arbeitet. Von den heute noch bestehenden Grandhotels tragen das Victoria-Jungfrau in Interlaken BE, das Sonnenberg in Seelisberg UR und das Römerbad in Badenweiler (D) Davinets Handschrift – um nur ein paar Perlen zu nennen. Mit seinem Architekturbüro betätigt er sich aber auch als Städteplaner, entwirft für Bern das neue Kirchenfeldquartier und baut dort diverse Villen, darunter das Maison Wälchli (1886), die Villa Lüscher (1889) oder die Villa Fazy (1890).

Zu Bern hatte Davinet zeitlebens eine enge Beziehung: 1839 in der französischen Gemeinde Pont-d’Ain zwischen Lyon und Genf zur Welt gekommen, verliert er im Schulalter die Mutter, worauf er mit seiner älteren Schwester sommers jeweils zur Grosstante nach Bern geht. 1853 heiratet die Schwester dort Friedrich Studer (1817–1879), den Architekten des Bundeshauses-West, «was sich entscheidend auf Davinets späteren Lebensweg auswirken sollte», so Ecclesia: 1856 macht Davinet eine Architektur-Lehre beim Schwager und gründet nach einer Weiterbildung in Stuttgart mit ihm das Architekturbüro «Fr. Studer & E. Davinet» in Interlaken BE.

«Im September 1890 erreichte Davinet die Nachricht, dass die Direktion des Kunstmuseums Bern ihn einstimmig zum neuen Inspektor – wie damals der Direktor hiess – ernannt hatte», schreibt Ecclesia. Davinet, der in der Zwischenzeit ein Architekturbüro mit seinen Grossneffen teilt, widmet sich fortan der Kunst: Bei Amtsantritt 1891 übernimmt er eine Sammlung von 300 Gemälden und übergibt 30 Jahre später 200 Plastiken, 2000 Werke der Malerei und 10’000 Grafiken, darunter vier Werke von Ferdinand Hodler (1853–1918), die er 1901 für das Kunstmuseum erwarb.

Wer der Stadt guttut, den hat Bern gern: 1900 verleiht die Burgergemeinde Davinet das Ehrenburgerrecht.

Alexandra Ecclesia, «Horace Edouard Davinet 1839–1922, Hotelarchitekt und Städteplaner», Hier und jetzt

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